NS-belastete Richter: Berufsverbotsbetroffene fordern Aufklärung
„Braunes Band in Karlsruhe“ titelte die Süddeutsche Zeitung am 4. Juli 2019 über die Historiker-Untersuchung zum Wirken ehemaliger Nazis in der Bundesanwaltschaft der jungen BRD. Nicht nur in der Bundesanwaltschaft wirkten Juristen, die den ersten Amtseid auf ihren Führer Adolf Hitler abgelegt hatten. Auch bei vielen Gerichtsverfahren, in denen über die nach dem Radikalenerlass von 1972 gegenüber jungen Linken verhängten Berufsverbote verhandelt wurde, haben solche Juristen maßgeblich mitgewirkt. Bekanntes Beispiel: Willi Geiger, bis 1945 NSDAP-Mitglied, in der BRD 1975 als Richter führend an der Formulierung des Bundesverfassungsgerichts-Grundsatzurteils zum Radikalenerlass beteiligt.
Die juristische Bedrohung zielte auf die Einschüchterung einer politisch wachen und aktiven Generation ab. Über 1.250 junge Lehrer*innen, Post-/Bahnbeamte und -beamtinnen und andere wurden ihrer beruflichen Existenz beraubt, aus dem Staatsdienst entfernt, durften ihre Ausbildung nicht beenden oder wurden nicht eingestellt. Als Folge der Berufsverbote mussten Tausende Nachteile erleiden, viele müssen heute mit geringen Renten bzw. Pensionen leben.
Der Sprecher der „Initiativgruppe 40 Jahre Radikalenerlass“ in Baden-Württemberg, Klaus Lipps, fordert: „Es müssen alle Berufsverbote-Urteile daraufhin überprüft werden, welche NS-belasteten Juristen daran beteiligt waren. Es stellt sich auch hier die Frage, wie die ‚Erkenntnisse‘ durch den sogenannten ‚Verfassungsschutz‘, der selbst zur Genüge belastet war, zustande kamen und zur Existenzvernichtung der Berufsverbote-Betroffenen herangezogen wurden. Es ist an der Zeit, dass dieses Kapitel aufgearbeitet wird und die Betroffenen rehabilitiert und entschädigt werden, bevor sie gestorben sind!“ So der ehemalige Lehrer aus Baden-Baden, der selbst von Berufsverbot betroffen war.