23. Dezember 2024

Politik ohne Flugscham – Charterabschiebung Nr. 26 nach Kabul

Opfer­zah­len in Afgha­ni­stan wer­den zum Teil aus­ge­blen­det oder mani­pu­liert

Am mor­gi­gen 30. Juli 2019 soll der nächs­te Abschie­bungs­flug nach Afgha­ni­stan abhe­ben. Nach den Erfah­run­gen mit den letz­ten Flü­gen wer­den kei­nes­wegs nur Straf­tä­ter die Zwangs­pas­sa­gie­re sein, son­dern auch Unbe­schol­te­ne, die sich aus guten Grün­den Hoff­nun­gen auf eine Zukunft in Deutsch­land gemacht haben. Zu erwar­ten sind – ins­be­son­de­re in Bay­ern – Raz­zi­en und Jagd­sze­nen, um den Flie­ger zu fül­len. Man wür­de sich wün­schen, es gebe so etwas wie poli­ti­sche Flug­scham, Men­schen nicht in Krieg und Elend aus­flie­gen zu las­sen.

Zwar ist die Hoff­nung auf Frie­den in Afgha­ni­stan all­ge­gen­wär­tig wäh­rend der Gesprächs­run­den in Doha und andern­orts. Die Rea­li­tät aber sieht anders aus: Nichts ist gut am Hin­du­kusch. Nichts ist bes­ser gewor­den in den letz­ten Mona­ten. Kämp­fe toben im gan­zen Land. Fast jeden Tag Anschlä­ge – allein in den letz­ten Tagen gab es meh­re­re Explo­sio­nen, Gefech­te und einen Anschlag auf die Par­tei­zen­tra­le des afgha­ni­schen Poli­ti­kers Amrul­lah Saleh. Distrikt um Distrikt fällt in die Hand der Tali­ban. In 67 der ins­ge­samt 387 afgha­ni­schen Distrik­te kön­nen die Gou­ver­neu­re gar nicht vor Ort amtie­ren, son­dern sind in Nach­bar­di­strik­te geflo­hen. Par­al­lel zu den Frie­dens­son­die­run­gen gibt es koor­di­nier­te Offen­si­ven der Tali­ban, selbst US-aus­ge­bil­de­te afgha­ni­sche Spe­zi­al­kräf­te star­ben kürz­lich zu Dut­zen­den in einem Hin­ter­halt.

Dies bil­det sich in den aus­län­di­schen Medi­en nur sehr begrenzt ab. Wie sehr der Krieg sich inzwi­schen hin­ter dem Medi­en­ho­ri­zont abspielt, wel­che Inter­es­sen dazu bei­tra­gen, Opfer­zah­len nicht zu erhe­ben, aus­zu­blen­den oder her­un­ter­zu­spie­len, dar­über hat der Afgha­ni­stan-Exper­te Tho­mas Rut­tig in zwei lan­gen Bei­trä­gen berich­tet. Sie betref­fen sicher­heits­re­le­van­te Vor­fäl­le mit Toten und Ver­letz­ten Ende Juni, Anfang Juli, von denen nur weni­ge Ein­gang in die inter­na­tio­na­le Bericht­erstat­tung fan­den.

Rut­tig resü­miert, dass »hier­zu­lan­de der Krieg in Afgha­ni­stan ver­bor­gen vor der Öffent­lich­keit wei­ter­geht. Er wird allein sicht­bar, wenn sich grö­ße­re Anschlä­ge oder Kampf­hand­lun­gen ereig­nen. Hier passt das abge­dro­sche­ne Bild von der Spit­ze des Eis­bergs. Der täg­li­che Klein­krieg bleibt so gut wie stän­dig unter der Was­ser­ober­flä­che. […] Ins­ge­samt dürf­ten damit die regel­mä­ßig berich­te­ten Opfer­zah­len deut­lich zu nied­rig lie­gen und es eine hohe Dun­kel­zif­fer geben.«

PRO ASYL for­dert, Abschie­bun­gen in das laut Glo­bal Peace Index gefähr­lichs­te Land der Welt umge­hend zu stop­pen.

Quelle:

Pro Asyl

Afghanistan