23. November 2024

Beteiligung am Wohlstand einfordern

Eine Pizza und ein Bier. Soviel kostet in Luxemburg der monatliche Mitgliedsbeitrag in einer Gewerkschaft. Es kann also nicht nur am Kostenfaktor liegen, daß immer weniger Menschen die Notwendigkeit sehen, gewerkschaftlich organisiert zu sein. Das Verständnis, daß all die erreichten sozialen Errungenschaften und Verbesserungen in den Betrieben von den Generationen vor uns teils hart erkämpft werden mußten und keine Selbstverständlichkeit oder gar patronale Gutherzigkeit darstellen, geht leider immer mehr verloren. Das liegt vor allem an der gezielten Entpolitisierung und Sozialpartnerschaft der vergangenen Jahrzehnte.

Die Tradition, betriebliche Mitbestimmung, Arbeitszeitverkürzung und andere Forderungen mit Druck als Masse von der Straße her durchzusetzen, ist in den Köpfen nicht mehr präsent. Die Gewerkschaft und die sie in den Betrieben vertretenden Betriebsräte stehen dort oftmals auf verlorenem Posten, weil viele Arbeitskollegen eine Gewerkschaft nicht mehr als Organisation der gemeinsamen Stärke durch Beteiligung, sondern als Dienstleister und die sie vertretenden Betriebsräte als »Mädchen für Alles« verstehen, die sich in ihrem Interesse mit dem Boß herumschlagen, ohne daß sie selbst Farbe bekennen müssen.

Dabei wäre es gerade jetzt, wo, ob auf nationaler oder auf EU-Ebene, viele der angesprochenen Errungenschaften scheibchenweise zurückgenommen werden, an der Zeit, sich darauf zu besinnen, welche Wirkung und welchen Wert die Organisation in einer Gewerkschaft hat. Seine eigenen Ideen in Gewerkschaftspolitik mit einzubringen und in der Masse stark zu sein, Druck zu machen.

Gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte, Schüler, Studenten und Rentner sind deutlich schwerer zu spalten. Gerade in der aktuellen Situation ist so eine Geschlossenheit sehr wichtig, um den Bossen der Wirtschaft deutlich zu machen, daß der soziale Roll-Back mit fadenscheinigen Argumenten nicht so einfach auf die Lohnabhängigen abzuwälzen ist. Wenn alle Beschäftigten aus privatem und öffentlichem Sektor ihren Widerstand gebündelt und organisiert zum Ausdruck bringen und Geschlossenheit in ihren Forderungen beweisen, dann wird es ungleich schwerer, dies zu ignorieren.

Dazu gehört auch, zu verstehen, daß etwa eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit rein auf Basis der demographischen Entwicklung falsch und patronatsfreundlich ist. Dazu gehört, zu verstehen, daß eine Forderung nach kürzerer Wochen- und Lebensarbeitszeit nicht zwangsläufig weniger Einkommen bedeutet und daß Mitbestimmung im Betrieb keine Bittstellerei, sondern ein legitimes Recht sein muß.
Darum ist Organisation so wichtig und der finanzielle Beitrag sollte keine unüberwindliche Hürde sein, wenn es darum geht, etwas zu bewegen. Die sozialen Errungenschaften früherer Generationen dürfen den Herrschenden nicht auf dem Silbertablett präsentiert werden, im Gegenteil gilt es, weitere Verbesserungen durchzusetzen und am geschaffenen Wohlstand gerechter beteiligt zu werden.

Christoph Kühnemund

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

Luxemburg