3. August 2019: Fünfter Jahrestag des Genozids an den JesidInnen im Irak
Bedrohungen im Irak dauern in einem Klima der Straflosigkeit an, eine Rückkehr in die früheren Siedlungsgebiete ist kaum möglich
An diesem Samstag jährt sich der Jahrestag des Genozids an den irakischen JesidInnen zum fünften Mal. Aber die entsetzlichen Grausamkeiten, die der IS beging – Massentötungen, Verschleppungen, Vergewaltigungen, Versklavung, die Abrichtung von Kindern zu Attentätern – geraten immer mehr aus dem Blick der Öffentlichkeit. Und das, obwohl momentan noch immer 3.000 Jesidinnen und Jesiden vom IS gefangen gehalten werden, um deren Schicksal die jesidische Gemeinschaft bangt, obwohl alle diese Verbrechen Jahre danach noch immer ungesühnt sind und obwohl noch immer Ermordete aus Massengräbern exhumiert werden.
In der Gefahr, den Genozid und das Schicksal der JesidInnen zu bagatellisieren, stehen PolitikerInnen, die sich der vereinfachenden Erzählung anschließen: Der IS ist besiegt und verbleibende Probleme sind mit materieller Unterstützung für die irakische Zentralregierung und für den kurdischen Nordirak auf die Dauer lösbar, so auch das Problem der Hunderttausende jesidischer Binnenflüchtlinge, von denen viele seit Jahren in Zeltstätten zu leben gezwungen sind und nicht in ihre Heimatregionen zurückkehren können. Auch bei den Verwaltungsgerichten zeichnet sich ein erster Trend ab, das Kapitel der Gruppenverfolgung durch den IS nach dessen Entmachtung abzuschließen und bezüglich aktueller Bedrohungen nicht sehr genau hinzuschauen oder interne Fluchtalternativen für realistisch zu halten.
Der IS mag als militärische Formation zurückgedrängt sein. Dass er nach wie vor existent und zu Gewaltakten fähig ist schildert ein aktueller Bericht des Yale Macmillan Center. Viele JesidInnen sind gezwungen, mit Kollaborateuren und (ehemaligen) UnterstützerInnen des IS Tür an Tür zu leben. Diejenigen, die der IS erklärtermaßen auslöschen wollte, leben in diesem Umfeld unter großer Anspannung.
In einem zersplitterten Irak, der sich immer mehr entlang ethnischer, religiöser und tribaler Bruchlinien organisiert, hat die jesidische Gemeinschaft einen extrem schweren Stand. Niemand fühlt sich ernsthaft zuständig für ihre Entschädigungsansprüche, für ihren Schutz, für die Schaffung von Voraussetzungen für eine Rückkehr in die früheren Siedlungsgebiete, etwa in den Sinjar.
Deshalb sind jesidische Flüchtlinge, die nach Deutschland geflüchtet sind, weiter schutzbedürftig. Und zwar nicht nur jene gut 1.000 Personen (fast ausnahmslos Frauen), die als direkte Opfer von IS-Grausamkeiten in Deutschland im Rahmen von Landesaufnahmeprogrammen aufgenommen worden sind, sondern auch jene, die Asylanträge gestellt haben oder Flüchtlingsschutz erhalten haben. Das zu bekräftigen wäre am Jahrestag des Genozids ein politisch wichtiges Zeichen.
Die zweifellos hilfreichen Aufnahmeprogramme sollten nicht den Blick darauf verstellen, dass die Zukunft der jesidischen Gemeinschaft im Irak weiterhin extrem gefährdet ist. Wenn ihnen der Zugang zu elementaren Menschenrechten im Irak auch künftig verweigert wird, wenn ihnen die Existenzgrundlagen dauerhaft genommen werden, dann werden sie sich auf den Weg machen müssen. Und auch dann sollte die Weltgemeinschaft den Opfern des bislang schlimmsten Genozids des 21.Jahrhunderts die Hilfe nicht verweigern.
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