Ruf nach »Demokratie«
In den letzten Tagen bestimmen immer wieder ausführliche Berichte über Forderungen nach mehr »Demokratie« die Schlagzeilen der bürgerlichen Medien, Forderungen, die vor allem in Rußland und in Hongkong medienwirksam auf die Straßen und Plätze getragen werden. Stets sind westliche Journalisten in Mannschaftsstärke zugegen, wenn sich in den Millionenstädten Moskau oder in Sankt Petersburg einige hundert Demonstranten mit Fähnchen und Losungen auf einer Straße versammeln, um gemeinsam mit dem Liebling der westlichen Medien, einem gewissen Herrn Nawalny, gegen die nach ihrer Ansicht undemokratischen Praktiken bei Wahlen zu protestieren. Selbstverständlich sind auch jede Menge Fotografen vor Ort, wenn sich Herr Nawalny wieder einmal von Polizisten verhaften läßt, weil er zu einer nicht angemeldeten Demonstration aufgerufen hat, oder wenn Polizisten Teilnehmer dieser Aktionen vorläufig festnehmen.
In den zahllosen Berichten wird nicht erläutert, worin eigentlich die angeprangerten Ungerechtigkeiten bestehen, aber das muß ja auch nicht sein, denn der Gegner Nawalnys und seiner Gefolgsleute heißt Putin. Und der ist ja der Undemokrat an sich.
Selbstverständlich gibt es an dem »System Putin« eine Menge zu kritisieren, sicher auch die Defizite bei der Umsetzung bürgerlicher Demokratie. Allerdings hätten vor allem die sozialen Probleme Kritik verdient, die durch die Politik der bürgerlichen Regierung Rußlands noch vertieft werden, wie zum Beispiel erst vor einigen Wochen die Entscheidung über die Erhöhung des Rentenalters. Doch da solcherlei Entscheidungen den Grundsätzen des kapitalistischen Gesellschaftssystems entsprechen, werden sie auch nicht von den Nawalny-Leuten attackiert, und die westlichen Medien berichten darüber entweder gar nicht, und wenn überhaupt, dann nur, um gegen Putin zu Felde zu ziehen.
Ganz ähnlich ist es mit den Berichten über die »Demokratiebewegung« in Hongkong. Daß es dort nicht wirklich um Demokratie geht, auch nicht um simple bürgerliche Demokratie, ist allein schon daran zu erkennen, daß immer wieder Demonstranten mit den Fahnen der einstigen britischen Kolonialmacht und mit der Flagge der USA aufmarschieren. Oder auch mit der auf Englisch formulierten Bitte an den USA-Präsidenten, er möge Hongkong »befreien«. Wer sich die Zustände der Kolonialzeiten zurückwünscht, oder nach »Demokratie« à la USA ruft, dürfte wohl nur schwer als Demokrat anzusehen sein.
Dennoch lieben die westlichen Medien auch diese Bilder aus Hongkong. Nicht die mit den Fahnen. Sondern die, auf denen Polizisten bei der Festnahme von »friedlichen Verteidigern der Demokratie« zu sehen sind.
Vergessen sind längst die Bilder der französischen Flics, die bei den Protestaktionen der »Gelben Westen« mit völlig unangemessener Gewalt gegen Demonstranten und sogar gegen Unbeteiligte vorgingen. Nur ungern erwähnt werden Gewaltakte der Polizei in allen Teilen der USA, vorrangig gegen Bürger mit dunkler Hautfarbe, die oft genug tödlich ausgehen.
Und vergessen werden soll auch die Politik der USA – nicht nur des derzeitigen Präsidenten! – gegenüber den Ländern des »Hinterhofs Lateinamerika«. Demokratie à la USA, das ist auch die totale Blockade von Kuba und Venezuela, um in den beiden Ländern einen »Regime-Change« herbeizuführen. Ein »Regime-Change«, der letztlich auch für Rußland und Hongkong anvisiert wird.
Uli Brockmeyer
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