22. Dezember 2024

Referat von FIR-Generalsekretär Dr. Ulrich Schneider bei der Thälmann-Ehrung am 18. August 2019

Wir haben uns heute versammelt zum Gedenken des 75. Jahrestages der Ermordung von Ernst Thälmann, des Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands, der seit 1933 von den Faschisten eingekerkert war und nach über 11 Jahren hier in Buchenwald in einer Nacht und Nebel-Aktion ermordet wurde.

Auch wenn die meisten von euch die Fakten kennen dürften, möchte ich dennoch an wenigen Aspekte die Bedeutung von Ernst Thälmann als Sinnbild des antifaschistischen Widerstandes nachzeichnen.

Schon in den 20er Jahren bis zum Verbot der Organisation 1929 kämpfte Thälmann als Vorsitzender des Roten Frontkämpferbundes (RFB) gegen Reaktion und militaristische Organisationen in und außerhalb der Reichswehr, der Brutstätte der Hitler-Partei NSDAP. Nach den zugespitzten gesellschaftlichen Auseinandersetzung in der Weltwirtschaftskrise, die bekanntermaßen mit einer fehlerhaften Strategie gegenüber der Sozialdemokratie und der Freien Gewerkschaften verbunden war, orientierte Ernst Thälmann im Mai 1932 wegen der zunehmenden faschistischen Gefahr das ZK der KPD auf die Gründung der „Antifaschistischen Aktion“. Diese müsse „dem Hitlerfaschismus den Weg zur Macht verlegen“, „der Faschisierung Deutschlands Einhalt … gebieten“ und „durch den organisierten roten Massenselbstschutz in breitester Einheitsfront den Mordterror des Hitlerfaschismus brechen“. An die Sozialdemokraten appellierte die KPD, „schlagt in die Bruderhand ein, die die Kommunistische Partei euch bietet!“

Dass die Einheitsfront nicht zustande kam ist bekannt. Und so musste Ernst Thälmann am 7. Februar 1933 auf der konspirativen Funktionärsberatung in Ziegenhals – auch seiner letzten öffentlichen Rede, die neue Lage einschätzen. Sein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Zusammenführung aller notwendigen gesellschaftlichen Kräfte und der Aktionseinheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus, was eine Fortsetzung der antifaschistischen Arbeit der KPD der vorangegangenen Jahre bedeutete.

Anfang März 1933 gelang es den Faschisten, Ernst Thälmann zu verhaften. Sie wollten ihn nicht einfach ermorden, sondern die NS-Justiz bekam die Order einen Hochverrats-Prozess vorzubereiten, der nicht nur gegen Thälmann gerichtet war, sondern die von der Nazi-Propaganda behauptete „Putschabsicht“ der KPD beweisen sollte.

Eine Anklage des Oberreichsanwalts wurde erstellt, der Termin zur Hauptverhandlung auf den 14. und 15. Juli 1934 festgelegt. Jedoch kam es nie zu diesem Schauprozess.

Was hatte den Gesinnungswechsel hervorgerufen?

Es war der Reichstagsbrandprozess, der im Jahre 1933 als Schauprozess gegen Marinus van der Lubbe und insbesondere die kommunistischen Angeklagten Georgi Dimitroff, Wassili Tanew und Blagoi Popow sowie den deutschen Kommunisten Ernst Torgler, den Vorsitzenden der KPD-Fraktion im deutschen Reichstag, inszeniert wurde. Auch hier sollte eine „kommunistische Verschwörung“ nachgewiesen werden. Bekanntermaßen wurde dieser Prozess durch das mutige Auftreten von Georgi Dimitroff ein absolutes Desaster für die Nazipropaganda.

Wie viel mehr mussten die Nazis befürchten, dass bei einem öffentlichen Prozess gegen Ernst Thälmann dessen Auftreten ein propagandistischer „Super-Gau“ werden würde. Selbst die Anklageschrift gegen Thälmann wurde als „Geheime Reichssache“ behandelt, dennoch kam sie 1936 an die Öffentlichkeit. Aber im faschistischen Propagandakalkül war ein möglicher Schauprozess noch nicht vom Tisch.

Einen gewissen Schutz für Ernst Thälmann bildete die breite internationale Aufmerksamkeit. Auf allen Kontinenten entstanden Komitees „Freiheit für Ernst Thälmann und alle politischen Gefangenen in den faschistischen Haftstätten“. Die Internationale Rote Hilfe, aber auch bürgerliche Antifaschisten organisierten Solidaritätskampagnen, die faschistische Mordpläne gegen Thälmann damit unmöglich machten.

Der faschistische Krieg und die sich im Sommer 1944 ankündigende Niederlage veränderte das Interesse der Nazis. Die Gründe lagen auf der Hand:
Der Vormarsch der Roten Armee im Osten, die mit ihren Panzerspitzen Ende Juli bereits östliche Randbezirke von Warschau erreicht hatte,
die Landung der Westalliierten in der Normandie und deren Vormarsch in Frankreich sowie das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944, bei dem deutlich wurde, dass selbst Vertreter der alten Eliten in Deutschland sich von der NS-Führung abwandten.

Damit war allen klar, dass sich der „Endsieg“ und damit ein Schauprozess gegen Thälmann ins Reich der Illusion verflüchtigt hatten.

Die Konsequenzen protokollierte Heinrich Himmler auf der Führerbesprechung am 14. August 1944 folgendermaßen: „Thälmann ist zu exekutieren“ – und er erledigte diesen Auftrag in der von ihm gewohnten verbrecherischen Art.

Ernst Thälmann wurde am 17. August 1944 durch zwei Gestapo-Beamte aus dem Zuchthaus Bautzen ins KZ Buchenwald gebracht, wo man ihn durch ein Nebentor direkt zum Krematorium schaffte. Dort wurde er in der Nacht vom 17. August zum 18. August von einem SS-Kommando, dem Wolfgang Otto angehörte, in Empfang genommen und erschossen. Seine Leiche wurde direkt im Krematorium verbrannt. Als die Häftlinge des Arbeitskommandos am kommenden Tag die Asche fanden, sei sie dunkel gewesen, heißt es in Zeugenaussagen, was auf eine Verbrennung mit Kleidung zurückzuführen war.

Da die Nazis selbst nicht sicher waren, ob dieses Verbrechen auf Dauer geheim zu halten war, versuchten die Mörder ihre Tat propagandistisch zu kaschieren. Im „Völkischen Beobachters“ konnte man Mitte September 1944 die Meldung finden, Thälmann sei zusammen mit Rudolf Breitscheid bei einem Bombenangriff auf die Umgebung von Weimar, bei dem auch das Konzentrationslager Buchenwald von zahlreichen Sprengbomben getroffen wurde, ums Leben gekommen. Das traf zwar für Rudolf Breitscheid zu, der im „Sonderlager Fichtenhain“ eingekerkert war, aber nicht für Ernst Thälmann.

Auch im KZ selber hatte sich der Mord schneller herumgesprochen, als es der SS lieb war. Als die Meldung im „Völkischen Beobachter“ erschien, hatten die Genossen traurige Gewissheit. Schon vorher hatte sich ein polnischer Tatzeuge deutschen Antifaschisten anvertraut und ihnen vom Mord an Ernst Thälmann berichtet.

In einer – wenn man die Regeln der Konspiration anwendet – unbedachten, aber auch heute vollkommen verständlichen Reaktion organisierten kommunistische Häftlinge am 18. September 1944 im Keller der Desinfektion-Blocks, wo heute die Kunstausstellung untergebracht ist, eine illegale Gedenkfeier für Ernst Thälmann.

Die Aktion war nicht mit der illegalen Leitung abgestimmt. Wahrscheinlich hätte sie aus Sicherheitsgründen ein solches Treffen abgelehnt, denn tatsächlich nahm auch ein Gestapospitzel an dieser Feier teil. Mehrere Teilnehmer wurden verraten, unter ihnen Bruno Apitz, der bei der Feier musizierte, Willi Bleicher, Kapo in der Effektenkammer, der spätere Bezirksleiter der IG-Metall von Baden-Württemberg, der von der Gestapo als Organisator der Gedenkfeier angesehen wurde, sowie der österreichische Kommunist Hans Sündermann, der Mitglied im internationalen Lagerkomitee war. Die letzten beiden wurden daraufhin in das Gestapogefängnis nach Weimar verschleppt.

Trotz des SS-Terrors gelang es den Häftlingen von Buchenwald am 11. April 1945, als die amerikanischen Truppen in der Nähe von Weimar und dem Ettersberg waren, sich mit Hilfe ihrer Internationalen Militärorganisation selber zu befreien. Sie versprachen am 19. April 1945 im Schwur von Buchenwald „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht“. Dies bezogen sie auch auf den Mord an Ernst Thälmann.
Tatsächlich wurde der Fall im Frühjahr 1947 im „Buchenwald-Prozess“ vor dem amerikanischen Gerichtshof in Dachau behandelt.

“Im April 1947 gab im Internierungslager Dachau, wo das US-Militärgericht tagte, der ehemalige polnische Häftling Marian Zgoda, der im Krematorium des KZ beschäftigt war, zu Protokoll: Am 17. August 1944 war dem SS-Oberscharführer Warnstedt telefonisch die Anweisung übermittelt worden, die Verbrennungsöfen anheizen zu lassen. Trotz Verbots versteckte sich Zgoda hinter einem Schlackehaufen, um zu erfahren, was die ungewöhnlichen Vorbereitungen der SS bedeuteten. Gegen Mitternacht kamen acht SS-Leute ins Krematorium, die Zgoda alle namentlich nennt, darunter Stabsscharführer Wolfgang Otto, Angehöriger des „Kommando 99“ genannten ständigen Exekutionskommandos, und Oberscharführer Werner Berger. Etwa zehn Minuten später wurde ein breitschultriger Zivilist in einem Auto in den Vorhof des Krematoriums gefahren; Zgoda fiel besonders auf, dass dieser Mann keine Haare hatte. Im selben Augenblick, da der Gefangene die Türe passiert hatte, wurde er durch drei Schüsse von hinten niedergestreckt, anschließend wurde er durch einen vierten Schuss endgültig getötet.
Als die Mörder das Krematorium verließen, hörte Zgoda den Rapportführer Hofschulte zu Otto sagen: „Weißt du, wer das war?“ Darauf Otto: „Das war der Kommunistenführer Thälmann.“ Dieses Aussageprotokoll Zgodas wurde u.a. in der „Rhein- Neckar-Zeitung“ am 26. April 1947 veröffentlicht. Auch die „Frankfurter Rundschau“ titelte am 22.4.1947: „Ernst Thälmann wurde erschossen und verbrannt“.

Der Tatbeteiligte Wolfgang Otto wurde im August 1947 wegen Mithilfe und Teilnahme an Gewaltverbrechen im KZ Buchenwald zu 20 Jahren Haft verurteilt – jedoch nicht wegen der Ermordung von Ernst Thälmann. Seine Haftzeit wurde später auf zehn Jahre Haft reduziert, wobei er nach weniger als 5 Jahren „wegen guter Führung“ vorzeitig aus dem Kriegsverbrechergefängnis Landsberg entlassen. Dass er anschließend als Lehrer an einem katholischen Gymnasium in NRW unterrichten konnte, ist mehr als zynisch.

Rosa Thälmann bemühte sich, den Mord an Ernst Thälmann auch juristisch verfolgen zu lassen. Doch die bundesdeutsche Justiz zeigte keinerlei Interesse mehr. Ab 1962 wurden in den folgenden 25 Jahren insgesamt sieben Ermittlungsverfahren gegen Wolfgang Otto angestrengt, jedoch mit fadenscheinigen Begründungen von der Justiz abgewiesen. Erst als die Tochter Thälmanns, Irma Gabel-Thälmann, über ihren Anwalt Heinrich Hannover am 24. Februar 1982 einen Klageerzwingungsantrag vor dem Oberlandesgericht Köln stellte, kam es in der Folge 1985 zu einem Hauptverfahren vor dem Landgericht Krefeld. Als kleine Sensation kann es bezeichnet werden, dass die DDR sogar einen Ortstermin in der Gedenkstätte Buchenwald ermöglichte, bei dem der Zeuge Zbigniew Fuchs, Häftling im Leichenträgerkommando wie Marian Zgoda, der aus Polen angereist war, in eindrucksvoller Weise über die Mordnacht berichtete.
Am 15. Mai 1986 verurteilte das Landgericht Krefeld Ottos zu vier Jahren Haft wegen „Beihilfe zum Mord“.

Damit waren eigentlich die Fakten geklärt. Doch wer heute auf die „Wikipedia“-Seite zu Ernst Thälmann schaut, wird mit der absurden Behauptung konfrontiert, „die genauen Umstände von Thälmanns Tod seien unklar und in der Forschung bis heute umstritten“.

In der seriösen Geschichtsforschung sind die Umstände nicht umstritten, aber alle, die dem Andenken von Ernst Thälmann schaden wollen und die dafür auch bereit sind, SS-Täter zu entlasten, nehmen einen bundesdeutschen Justizskandal als Rechtfertigungsgrund. Denn das Urteil gegen den Tatbeteiligten Wolfgang Otto wurde 1987 im Revisionsverfahren vom Bundesgerichtshof kassiert und an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Dieses sprach den Angeklagten ohne erneute Beweisaufnahme vom „Mordvorwurf“ frei. Für diesen Freispruch drehte das Gericht eine inhaltliche Pirouette, wie sie in der Justizgeschichte nur selten zu finden ist. Es beschäftigte sich mit der Frage, ob die Ermordung an Ernst Thälmann juristisch „Mord“ oder „Totschlag“ sei. Da Ottos Tätigkeit im Mord-„Kommando 99“ unstrittig war, er hatte dafür entsprechende Vergünstigungen, Urlaubstage, Schnaps und Zigarettenrationen erhalten, waren „niedere Beweggründe“ nicht in Frage zu stellen. Aber das Gericht fand dennoch einen Ausweg. Da Ernst Thälmann, als er in das KZ Buchenwald verbracht wurde, nicht arglos gewesen sein konnte, was mit ihm passieren solle – so das Gericht –, könne man nicht von „Heimtücke“ sprechen und damit nicht von Mord, sondern nur von Totschlag – und der sei bekanntermaßen verjährt.

Außerdem hatte der BGH 1987 dem Krefelder Gericht vorgehalten, dass es sein Urteil auf Aussagen ehemaliger Häftlinge oder SS-Leute in Buchenwald aus dem Jahre 1963 stütze. Diese Zeugen seien aber zum Zeitpunkt des Prozesses entweder tot oder wegen „seniler Demenz“ nicht mehr vernehmungsfähig gewesen. Wenn man diesen Vorwurf weiterdenkt, bedeutete es faktisch, man musste bei Prozessen gegen NS-Verbrechen nur so lange warten, bis es keine lebenden oder vernehmungsfähigen Zeugen mehr gibt, um die Täter, die das Glück hatten zu überleben, freisprechen zu können. Dieses hatte tatsächlich Auswirkungen bei den Prozessen, die in den vergangenen Jahren gegen Täter aus dem KZ Auschwitz stattgefunden haben.

Die Aufhebung des Urteils gegen Otto war also ein „Freispruch 3. Klasse“, aber ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich für eine juristische Aufarbeitung dieses Verbrechens eingesetzt hatten. Die DDR–Regierung machte angesichts eines solchen Urteilsspruchs, wie schon in den Jahren zuvor, als es um das Klageerzwingungsverfahren ging, der Bundesrepublik vollkommen zurecht den Vorwurf, im Westen seien die NS-Täter nicht nur in Amt und Würden gekommen wie verschiedene Bundesminister und Bundeskanzler Kiesinger, sondern selbst überführte Verbrecher würden geschont, wenn es nur gegen Kommunisten ging.

Und hier finden wir den tatsächlichen Grund, warum die Vorgänge um den Thälmann-Mord angeblich „umstritten“ seien. Es geht nicht nur um eine Leugnung der Täterschaft Ottos, sondern um eine Delegitimierung der DDR und ihres antifaschistischen Anspruchs.

Man war sich auch nicht zu schade dazu, als in den Tiefen der Aktenbestände der DDR eine Notiz auftauchte, dass die DDR den Aufenthaltsort eines weiteren Tatbeteiligten gekannt habe, der DDR vorzuwerfen, sie habe damit bewusst die Aufklärung des Mordes an Ernst Thälmann behindert. Was auch immer die Staatssicherheit veranlasst haben mag, diese Information nicht weiterzugeben, sei dahingestellt. Diese Person lebte aber in der BRD und bundesdeutsche Ermittlungsbehörden hätten alle Möglichkeiten gehabt, sie ebenfalls ausfindig zu machen.

Aber darum ging es den politisch Verantwortlichen ja überhaupt nicht. Es ging und geht um eine Abwicklung der Erinnerung und auch um eine Verdrängung der jahrzehntlang fehlenden Aufarbeitung in der BRD.

Dies versuchte die bundesdeutsche Politik Anfang der 90er Jahre mit dem Ende der DDR auch in den Gedenkstätten durchzusetzen. So wurde zuerst an diesem historischen Ort die Stele mit der Thälmann-Büste abmontiert. Auch die Gedenktafel sollte verschwinden. Als diese Pläne jedoch bei den ehemaligen Häftlingen auf Widerstand stießen, wurde die Tafel mehrfach mit „geschichtspolitischen Interpretationen“ versehen, die sich gegen das Thälmann-Gedenken in der DDR richtete. Dank des unermüdlichen Einsatzes der Tochter von Ernst Thälmann und des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos wurde vor einigen Jahren der jetzige Text gefunden, mit dem man zumindest leben kann.

Solche ideologischen Angriffe auf die Erinnerung, die Beseitigung von Gedenkorten und die Infragestellung von historischen Fakten stellen uns als Antifaschisten vor die Aufgabe der Bewahrung der antifaschistischen Erinnerung. Wir müssen immer wieder den nachgeborenen Generationen erklären, warum dieser Mord an Ernst Thälmann vor 75 Jahren nie verjähren kann.

Egal ob man Kommunist ist oder aus anderen Überzeugungen Antifaschist – die Erinnerung an Ernst Thälmann verbindet uns alle. Mit dem Mord an Thälmann ging es den Faschisten darum, den Führer der Partei zu vernichten, deren Mitglieder den größten Blutzoll im Kampf gegen die NS-Herrschaft gezahlt haben, die von Anfang an bis 1945 mit ihren – oftmals bescheidenen – Mitteln sich gegen Verfolgung und Kriegsvorbereitung eingesetzt haben. Kommunisten waren es, die in den verschiedenen Regionen auch die alltägliche Solidarität mit Verfolgten organisierten.

Diese Aussage bedeutet keine Idealisierung der KPD und Ernst Thälmanns oder eine Geringschätzung der politischen und ideologischen Fehler, die auch die Kommunisten in der Weimarer Zeit gemacht haben, die die Zusammenarbeit der unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräfte gegen den Vormarsch des Faschismus behinderten. Darüber gilt es – auch heute – immer wieder gemeinsam zu streiten. Aber nicht wegen gegenseitiger Schuldzuweisungen, sondern um ein möglichst breites gesellschaftliches Bündnis gegen jede Rechtsentwicklung und die Gefahren des Neofaschismus zu schaffen.

Als die überlebenden Häftlinge des KZ Buchenwald am 19. April 1945 – auch in Erinnerung an Ernst Thälmann, an Rudolf Breitscheid und alle anderen ermordeten Vertreter der Arbeiterbewegung und der demokratischen Kräfte – forderten „Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln“, da hatten sie eine klare Vorstellung. Sie wollten nicht nur die NSDAP und ihre verschiedenen Organisationen ausschalten, sondern auch den gesellschaftlichen Einfluss ihrer Unterstützer aus Militär, Banken und Schwerindustrie, alten Eliten und jungen Akademikern, die alle zur Machtübertragung an die NSDAP und zur Machtetablierung ihren Beitrag geleistet hatten.

Und wenn wir als Antifaschisten uns heute auf die Tradition des Schwurs von Buchenwald berufen, dann bedeutet es, nicht nur dem heutigen Vormarsch von offenen Neonazis oder extremen Rechten in der AfD entgegenzutreten, sondern für gesellschaftliche Verhältnisse zu streiten, die sozial gerecht und demokratisch sind, die allen Menschen in unserem Land eine gesicherte Existenz und Frieden ermöglichen. In diesem Sinne bekräftigen wir den Schwur von Buchenwald zur „Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit!“

Und wir lassen uns dabei auch nicht durch „Interpretationen“ eines Verfassungsschutzes irritieren, der die Überwachung von Antifaschisten, wie im Fall von Silvia Gingold, der Tochter des jüdischen Kommunisten Peter Gingold, meint damit rechtfertigen zu können, dass der „Schwur von Buchenwald“ ein eindeutiges Indiz für eine kommunistische Faschismus-Interpretation sei, die auf eine Überwindung der freiheitlich demokratischen Grundordnung ziele. Nein, derjenige, der nicht auf dem Boden der Verfassung steht, ist ein Verfassungsschutz, der solche Thesen von sich gibt.

Es waren die Überlebenden von Buchenwald und der anderen faschistischen Haftstätten, die aktiv am antifaschistisch-demokratischen Neubeginn mitgewirkt haben und ihr politisches Vermächtnis uns als nachgeborene Generationen weitergegeben haben.

Für deren Vermächtnis sollten wir gemeinsam eintreten – in Erinnerung an Ernst Thälmann und Rudolf Breitscheid, die vor 75 Jahren hier direkt durch die SS oder in Gefolge der faschistischen Kriegspolitik starben, an Pfarrer Paul Schneider, der vor 80 Jahren hier ermordet wurde, und alle anderen in Buchenwald ermordeten Gegner und Verfolgte des Naziregimes.

Quelle:

VVN-BdA Landesvereinigung Thüringen

Thüringen