Roulette Bahn fahren
Ein warmer Sommerabend. Ein Besuch der Rockhal in Esch/Alzette ist geplant und dafür wird der Zug als Transportmittel der Wahl auserkoren, damit der Streß, sich durch die chaotische Trabantenstadt Belval zu plagen entfällt und das ein oder andere Bierchen mit Freunden möglich ist.
Schon von Weitem ist die Durchsage am Düdelinger Bahnsteig zu hören, welche angibt, daß der Zug in Richtung Volmerange-les-Mines (F) Verspätung haben wird und jener in der Gegenrichtung nach Bettemburg gleich komplett ausfällt. Stöhnen unter den Menschen auf dem Bahnsteig, Kopfschütteln bei vielen und Wortfetzen, wie »…schon wieder…« sind wahrzunehmen. Einen Bahnbediensteten für weitere Informationen findet man schon lange nicht mehr an der Station. Kurzfristiger Umstieg auf den TICE. Der kommt glücklicherweise pünktlich, kämpft sich jedoch 40 Minuten zum Zielort durch den Feierabendverkehr.
An gleicher Stelle, nur eine Woche zuvor, spielte sich übrigens genau dasselbe Theater ab. In diesem Fall ging es beide Male »nur« um eine Fahrt in der Freizeit und nicht um das tägliche Abenteuer Berufspendelei mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem immer mitfahrenden mulmigen Gefühl, was denn diesmal schiefgeht.
Bei allen Investitionen in das Net tz, die den neuen Hotspots dienen, an denen die Pendler aus den Nachbarländern aufgefangen und umverteilt werden sollen, sieht es in der Tat im restlichen Land recht mau aus, was den öffentlichen Schienenverkehr betrifft. Die CFL feiert Taktverbesserungen auf stündliche Abfahrten auf manchen Strecken als Fortschritt. Vielleicht ist dies im Hinblick auf die Auslastung der Strecken tatsächlich so zu sehen, als komfortabel kann man eine solche Taktung sicher nicht bezeichnen, wenn man auf die Bahn angewiesen ist und Termine hat.
Besonders die dezentralen Ortschaften müssen besser erreicht werden, auch wenn sich dies nicht immer rechnet. Daß aber auch bei all den Zukunftsprojekten manches Mal ein Haken dabei ist, zeigt etwa die Planung zur Erreichbarkeit des neuen Fußball- und Rugby-Stadions per Trambahn : Während dies vom hauptstädtischen Bahnhof aus in einer langgezogenen Kurve ermöglicht wird, gibt es von den Südgemeinden aus keine nennenswerten Verbesserungen, um Kockelscheuer besser und häufiger anzubinden. Es geht dabei um den gesamten Süden, der nach politischen Vorgaben jeden freien Meter mit Wohnungen für neue Einwohner zukleistern soll, auf der anderen Seite allerdings im Regen stehen gelassen wird, wenn es um eine Verbesserung des öffentlichen Transportes geht.
Bevor die Regierung also weiter dem Individualverkehr auf die Füße tritt, sollte vielleicht erst einmal die Grundlage geschaffen werden, damit ein Umsteigen attraktiv erscheint. Das derzeitige Roulettespiel um pünktliche oder überhaupt fahrende Züge jedenfalls wird auf Dauer so auch den Letzten der noch verbliebenen Fahrgäste auf der immer wieder kaputtdiskutierten Kayltalstrecke vergraulen. Vielleicht mit System ? Denn dann kann sie ja endlich dicht gemacht werden, oder ?
Christoph Kühnemund
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