Fristlose Kündigungen nach Streik
ver.di verurteilt auf das Schärfste diesen »gezielten Einschüchterungsversuch«
Unglaubliche Vorgänge an den AMEOS-Kliniken in Bernburg, Aschersleben-Staßfurt, Schönebeck und Haldensleben: Insgesamt 14 Beschäftigte hat der kommerzielle Klinikbetreiber nach derzeitigem Kenntnisstand fristlos gekündigt. In gleichlautenden Schreiben wird allen »respektloses Verhalten« gegenüber Mitarbeitern, Patienten und Vorgesetzen vorgeworfen.
»Das kann nur als dreister Versuch gewertet werden, die Beschäftigten einzuschüchtern und davon abzuhalten, ihr Grundrecht auf Streik wahrzunehmen«, erklärte Bernd Becker, der bei ver.di in Sachsen-Anhalt für das Gesundheits- und Sozialwesen zuständig ist. Zuletzt hatten sich insgesamt mehr als 1.800 Beschäftigte an Warnstreiks beteiligt, um an den ehemals kommunalen Kliniken im Salzlandkreis Tarifverträge und bessere Bezahlung durchzusetzen.
»Es ist offensichtlich, dass man mit den Kündigungen Druck auf die Beschäftigten ausüben will, damit diese von ihren berechtigten Forderungen nach einen Tarifvertrag Abstand nehmen«, kritisierte Becker. »Besonders zynisch ist, die Kündigungen so kurz vor dem Weihnachtsfest auszusprechen. Die Begründungen sind hanebüchen und entbehren jeder Grundlage. Damit wird AMEOS nicht durchkommen.« Betroffen sind allesamt Beschäftigte, die sich an den erfolgreichen Arbeitsniederlegungen der vergangenen Wochen beteiligt hatten, darunter ein ver.di-Tarifkommissionsmitglied und besonders zynisch ein schwerbehinderter Kollege. »Ein Unternehmen, das sich solcher Praktiken bedient, hat insbesondere im Gesundheitswesen nichts verloren«, betonte der Gewerkschafter.
Er verwies darauf, dass der Regionalgeschäftsführer von AMEOS Ost, Lars Timm, bereits in der Vergangenheit durch brachiales – und erfolgloses – Vorgehen gegen gewerkschaftlich aktive Beschäftigte aufgefallen sei. 2016 hatte er in seiner damaligen Funktion am AMEOS-Klinikum Hildesheim während eines Streiks mehrere Beschäftigte mit Kündigungen und Versetzungen drangsaliert. »Die Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen ließen sich nicht einschüchtern. Am Ende musste AMEOS alle Kündigungen zurücknehmen und einen Tarifvertrag auf dem Niveau des öffentlichen Dienstes schließen«, bilanzierte Becker. »Auch dieses Mal wird Herr Timm mit seinen vordemokratischen Manövern eine Bruchlandung erleiden.« ver.di werde den Betroffenen selbstverständlich jede mögliche Unterstützung geben. »Die Solidarität ist schon jetzt enorm. Wir bekommen von überall her Botschaften der Unterstützung. Wenn der Konzern seinen Ruf nicht völlig ruinieren will, sollte er die Kündigungen sofort zurücknehmen und endlich in Tarifverhandlungen mit ver.di einsteigen.«
Bislang verweigert das in der Schweiz ansässige Unternehmen solche Verhandlungen und bietet den einzelnen Beschäftigten stattdessen ein sogenanntes Zukunftspaket an. »Das ist ein vergiftetes Angebot, das alles andere als zukunftsträchtig ist«, kommentierte der ver.di-Tarifexperte Thomas Mühlenberg. Mit Lohnsteigerungen von durchschnittlich 1,8 Prozent pro Jahr bleibe es weit hinter dem Niveau des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) zurück. Zudem sollten die Beschäftigten auf Ansprüche aus älteren Tarifregelungen verzichten, die sich durchaus auf eine Summe im Millionenbereich summieren könnten. Das Bundesarbeitsgericht wird hierzu im Februar ein Urteil fällen. Auch den von Ameos versprochenen fünfjährigen Kündigungsschutz hält Mühlenberg für eine Farce. Dieser gelte nur, wenn Beschäftigte ihren Arbeitsvertrag mit der Klinik aufgeben und in eine Betriebsgesellschaft wechselten. »Das bedeutet letztlich mehr, nicht weniger Unsicherheit.«
Seit der Übernahme der Salzlandkreiskliniken 2012 hat Ameos die Bezahlung eingefroren, weshalb die Reallöhne von Jahr zu Jahr sinken. Mittlerweile verdienen beispielsweise Krankenpflegekräfte nach ver.di-Berechnungen durchschnittlich 500 Euro monatlich weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Akutkrankenhäusern der Region. »Mit diesem Lohndumping muss Schluss sein. Wir brauchen gute Tarifverträge, um den Lebensstandard der Beschäftigten, aber auch die Zukunft der Klinikstandorte zu sichern«, forderte Mühlenberg. »Andernfalls wird noch mehr Personal das Weite suchen. Das gefährdet letztlich die Versorgung. Die gesamte Region hat daher ein großes Interesse daran, das reine Streben nach Profitmaximierung von Ameos auf Kosten der Beschäftigten, der Versicherten, die mit ihren Beiträgen auch die AMEOS Häuser finanzieren und der Versorgungsqualität zurückzuweisen.«
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