Budget 2020: KPÖ kritisiert Millionenkosten für Luftschlösser und Selbstdarstellung
„Ein gutes Stadtbudget muss mitdenken, dass Bus und Bim gut ausgebaut und leistbar sein müssen“, betonte KPÖ-Finanzsprecherin Sahar Mohsenzada.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, werte Mitglieder der Stadtregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ein gelungenes Budget zeichnet sich durch 3 Eigenschaften aus:
- Es sollte alle Fixkosten, die eine Stadt hat, abdecken, es sollte
- wichtige Investitionsprojekte berücksichtigen, die Stadt aber auch langfristig nicht in den Ruin treiben und
- ein soziales Gesicht haben
Wie schaut das jetzt beim Grazer Budget für 2020 aus? Erfüllt es alle genannten Kriterien?
Zu Punkt 1:
Die Fixkosten sollten, wie der Herr Finanzstadtrat ausgeführt hat, durch die laufenden Einnahmen gedeckt werden. Im Jahr 2019 ist das voraussichtlich gelungen. Und dafür darf ich mich bei allen Beschäftigten im Magistrat Graz und in den Beteiligungen, die tagtäglich hervorragende Arbeit leisten, an dieser Stelle einmal recht herzlich bedanken. Persönlich besonders hervorheben möchte ich Michael Kicker und Dr. Karl Kamper, aber auch Mag. Windhaber, die sich immer für Fragen Zeit genommen haben.
Zu Punkt 2:
Ist die Pflicht erfüllt, folgt die Kür. Und hier geht es um die Investitionen. 190 Millionen sind für das Jahr 2020 vorgesehen. Das ist ein sehr hoher Betrag. Damit wird auch der Schuldenstand der Stadt Graz 2020 auf 1448 Millionen – also mehr als 1,4 Milliarden – anwachsen.
„In den letzten drei Jahren stieg der Schuldenstand unter Schwarz-Blau um bereits 292 Millionen Euro.“ Sahar Mohsenzada
Zum Vergleich: Im Wahljahr 2017 betrugen die Nettofinanzschulden bei der Stadt Graz noch 1156 Millionen (1,16 Mrd.). Während sich der Schuldenstand in der vergangenen Gemeinderatsperiode um nur 80 Millionen Euro erhöht hat, sind die Schulden in den letzten drei Jahren unter Schwarz-Blau um bereits 292 Millionen gestiegen. Für einen Schuldenzuwachs in diesem Ausmaß haben die Vorgängerregierungen zehn Jahre (den Zeitraum 2006 bis 2016) gebraucht.
Bis 2022, also bis zur nächsten Wahl, wird ein Schuldenzuwachs von 410 Millionen Euro erwartet. Das ist das Fünffache, verglichen mit den viereinhalb Jahren davor.
Wir sagen nicht, dass Schulden per se schlecht sind. Vielfach stehen ihnen städtisches Eigentum oder Infrastruktur gegenüber, die für eine Stadt unerlässlich sind.
Graz wächst. Und deshalb sind einige der Investitionen notwendig. Dazu zählt zum Beispiel der Sturzplatz neu mit einer Investitionssumme von insgesamt 30,6 Millionen Euro. Die 18 Millionen Euro für den Fernwärmeausbau sind im Sinne von Klima- und Umweltschutz unbedingt erforderlich. Es geht ja auch darum, dass die Stadt Graz ihren schlechten Ruf als Feinstaubhauptstadt endlich loswird. Wir sind uns wohl alle hier einig: Das sind gute Schulden, weil es notwendige Investitionen sind, die langfristig Sinn machen.
Ein großer Brocken im Budget ist der Straßenbahn-Ausbau. Hier geht es einerseits um laufende Projekte, wie den zweigleisigen Ausbau nach Mariatrost mit 8,6 Millionen. Andererseits ist vor allem die Straßenbahn-Anbindung von Reininghaus und Smart City um insgesamt 72,4 Millionen zu nennen. Wir werden uns wieder einig sein, nehme ich an: Das sind gute Schulden. Diese Projekte werden ja auch von Land und Bund gefördert und werden langfristig für alle Grazerinnen und Grazer von großem Nutzen sein.
„Für uns Kommunistinnen und Kommunisten steht eine Frage im Zentrum. Wie geht eine Gesellschaft mit ihren schwächsten Mitgliedern um?“ Sahar Mohsenzada
Aber! Es gibt auch Projekte, wo ÖVP und FPÖ sagen, die Schulden dafür wären „gute Schulden“, wir als KPÖ aber denken: das sind unnötige Schulden. Dazu zählt der Zentrale Speicherkanal mit insgesamt 81,4 Millionen. Ohne das Murkraftwerk wäre der gar nicht nötig. Für das Kraftwerk und den Speicherkanal wurde in Graz ein beispielloses Abholzen von tausenden Bäumen in Kauf genommen. Für die 16.000 gerodeten Bäume wurden Ersatzpflanzungen versprochen. Die erfolgen aber – und das muss man wissen – zum Großteil gar nicht in Graz. Zum Vergleich: Beim mit viel medialem Trommelwirbel inszenierten Klimafonds sind nur 1500 Baumpflanzungen vorgesehen. Bei diesem Klimafonds hat sich darüber hinaus ja schnell gezeigt, wie recht meine Kollegin Christine Braunersreuther mit ihrer Kritik an der unverbindlichen Geschäftsordnung für den Fachbeirat für Klimaschutz hatte. Ihre Kritik wurde von ÖVP und FPÖ vom Tisch gewischt. Das Resultat? – Klimaexperte Stefan Schleicher will sich für diese PR-Show nicht hergeben.
Die EStAG wird die Gewinne am Mur-Strom einkassieren. Was die EStAG aber nicht tut: Sich an den Wiederherstellungsmaßnahmen beim zerstörten Mur-Ufer in entsprechendem Ausmaß beteiligen. Bei den Kosten für die Infrastruktur, die neu geschaffen oder wiederhergestellt werden muss, wird die EStAG beispiellos geschont. Die meisten Reparaturen zahlt die Stadt – sprich: die Grazer Bevölkerung – sich also selber. Bei diesem Kraftwerksprojekt mit ZSK um 81,4 Millionen und Begleit- und Folgekosten von bisher bereits 19,7 Millionen muss die Bevölkerung die Zeche zahlen. Das sind schlechte, unnötige Schulden.
Ein weiteres Beispiel: Rund eine Million wurde bisher in Vorarbeiten für die Plabutsch-Gondel gesteckt. Weitere 450.000 sind für das nächste Jahr budgetiert. Und das, obwohl man nicht einmal weiß, ob die Grazer und Grazerinnen diese Gondel überhaupt wollen. Entscheidungen werden hinter verschlossenen Türen getroffen. Die vom Bürgermeister versprochene Volksbefragung wurde auf den St.-Nimmerleins-Tag verschoben, während Geld bereits in die ersten Realisierungsmaßnahmen fließt. Zuletzt wurde sogar schon die Projektsteuerung für die Seilbahn samt Berg und Talstation ausgeschrieben. Nach letzten Berechnungen soll die Plabutsch-Seilbahn 38 Millionen kosten.
Das sind schlechte und verantwortungslose Schulden. Das ist auch der Grund, warum die KPÖ beschlossen hat, Unterschriften für eine Volksbefragung zu sammeln. Dieses Geld könnte man durch günstigere Öffi-Tarife im Sinne der Bevölkerung und der Umwelt wesentlich besser verwenden.
Kommen wir zum dritten Punkt für ein gelungenes Budget:
Für uns Kommunistinnen und Kommunisten steht eine Frage im Zentrum. Wie geht eine Gesellschaft mit ihren schwächsten Mitgliedern um?
In der Stadt Graz hat sich in den letzten Jahren hier einiges zum Schlechteren verändert. Auch wenn die Ausgaben da und dort steigen, bedeutet das nicht, dass die Stadt sozialer geworden wäre. Leider liegt es oftmals daran, dass die Zahl der Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, stetig steigt.
Dazu einige Beispiele:
SozialCard-BesitzerInnen unterstellt man, sie könnten mit ihrem Geld nicht verantwortungsbewusst umgehen. Mit einem teuren Gutscheinsystem wird nun einerseits den Betroffenen der Zugang zu den Leistungen immer weiter erschwert – und auf der anderen Seite ein international agierender Konzern unterstützt. Von den 10.086 Grazer Haushalten, die über eine SozialCard verfügen, haben heuer nur 8817 die Weihnachtsbeihilfe bekommen. Das sind noch einmal 167 weniger als im Vorjahr.
Sozialstadtrat Hohensinner traut auf der einen Seite den Menschen nicht zu, mit 50 Euro Bargeld umgehen zu können – auf der anderen Seite mutet es fast zynisch an, wenn er sagt, er wolle die wirtschaftlich Schwachen als mündig und „vollwertig“ ansehen.
Der Vorschlag, die Stadt Graz sollte sich für die Wiedereinführung einer Bahnhofsmission einsetzen, wird als „nicht zeitgemäß“ abqualifiziert. Bei Obdachlosen, Alkohol-Abhängigen und Drogenkranken gilt das Motto „aus den Augen, aus dem Sinn“. Uns als KPÖ wäre lieber, man würde sich mehr dafür einsetzen, den Menschen zu helfen, statt sie einfach aus dem Stadtbild verbannen zu wollen.
Unser Antrag, das Pflegepersonal bei den GGZ aufzustocken, wurde abgeblockt, obwohl man sich im Verwaltungsausschuss darüber einig war, dass es an Pflegepersonal fehlt.
Die jahrelangen Bemühungen der KPÖ um kostenlose Legasthenie-TrainerInnen an Schulen, um die Chancengleichheit aller Kinder in den Grundschulen zu erhöhen, werden einfach ignoriert.
Die Anträge der KPÖ auf Ausweitung der Bäderöffnungszeiten und moderatere Bäderpreise werden fast reflexartig abgelehnt. „Kein Geld vorhanden“ heißt es immer wieder. Wer soll das angesichts von Gondelplänen und Olympia-Fantasien noch glauben?
In Budgetsitzungen wird immer gern vom „Sparen“ geredet. Bei sich selbst spart die Politik allerdings nicht. „Inhalte“ sind immer dann besonders wichtig, wenn es um die Inhalte der Parteikassen geht.
2 Millionen 452 Tausend Euro macht die Förderung der Klubs und Parteien der Stadt Graz im Jahr 2020 aus. Damit ist die Grazer Parteienförderung eine der höchsten in ganz Österreich – umgerechnet auf die Bevölkerung.
Rapide in die Höhe gehen auch die Ausgaben für die Selbstdarstellung. (PAUSE) Erlauben Sie mir dazu eine Bemerkung: Ich habe Freunde und Freundinnen, die im Marketing und der Werbebranche tätig sind. Die sind sich alle in einer Sache ziemlich einig: Viel Geld für Werbung muss man nur dann ausgeben, wenn das Produkt nicht für sich selbst spricht. Das kommt mir oft auch in der Stadt Graz so vor.
Man schlägt die Zeitung auf und sieht mehrseitige Inserate mit schönen Bildern, die viele Dinge sehr geschönt darstellen. Oft sieht man Renderings von Projekten, die in Wirklichkeit nie so ausschauen werden. Immer mit dabei: Fotos der Regierungsmitglieder von ÖVP und FPÖ. (Okay von der FPÖ in letzter Zeit immer weniger).
Für Werbung und Marketing werden Unsummen ausgegeben. Wieviel die Stadt Graz und ihre Beteiligungen insgesamt für diese Maßnahmen ausgibt, lässt sich aus dem Budget nicht herauslesen – so gut aufgeteilt, um nicht zu sagen: versteckt – sind die Finanzposten. Von wirtschaftlich, zweckmäßig und sparsamist man hier oft meilenweit entfernt.
Während auf der einen Seite Geld mit beiden Händen für Eigenwerbung ausgegeben wird, können sich viele Grazer und Grazerinnen das tägliche Leben immer weniger leisten. Die Löhne und Gehälter und Pensionen können mit den jährlichen Erhöhungen bei den Gebühren und Tarifen schon lange nicht mehr mithalten. Dazu trägt – leider – auch die Stadt Graz wieder bei. Die Gebühren für Kanal, Wasser und Müll steigen seit der von Schwarz-Grün eingeführten Teuerungsautomatik jährlich. Nur beim Doppelbudget 2015/16, das mit der KPÖ vereinbart wurde, sind diese Tarife nicht angestiegen.
Die Grazer Gebühren zählen im österreichischen Städtevergleich zu den höchsten. Das muss sich ändern.
Im gerade angesprochenen Doppelbudget, das ÖVP und SPÖ mit der KPÖ beschlossen haben, wurde die verbilligte Jahreskarte für Grazer und Grazerinnen eingeführt. Das war 2015.
228 Euro hat sie damals gekostet. Heute, vier Jahre später, ist sie um ein Viertel teurer – und kostet seit Juli 281 Euro. Wenn nächstes Jahr wieder erhöht wird, durchbricht die Jahreskarte Graz die 300-Euro-Mauer.
Ein Ende dieser Teuerungsspirale bei den Öffis ist nicht in Sicht. Dabei reden alle davon, dass die Benützung des öffentlichen Verkehrs attraktiver werden muss – nicht zuletzt aus umweltpolitischer Sicht.
Dass Bus und Bim leistbar sein müssen, ist in diesem Budget nicht mitgedacht. Als KPÖ sagen wir: Die Erhöhung der Zuzahlung der Stadt zur Jahreskarte sowie die Ausweitung der Jahreskarte auch auf die Gruppe der AuspendlerInnen wäre da das Mindeste.
Noch ein paar Worte zum (nicht nur für die KPÖ, sondern für so viele Grazer und Grazerinnen) zentralen Thema Wohnen:
Wohnungsstadtrat Eustacchio hat die Warteliste für Gemeindewohnungen drastisch verkürzt. Heißt das, dass alle Menschen, die eine Gemeindewohnung bräuchten, eine bekommen haben? Nein. Das heißt, dass einfach viele Grazer und Grazerinnen aufgrund der rigiden Regelungen keinen Anspruch mehr haben. Das neue System geht so weit, dass es sogar immer mehr Gemeindewohnungen gibt, die leer stehen. Und dieser Leerstand bringt finanzielle Einbußen für die Stadt. 70.000 Euro Minus waren das zuletzt. Und das nicht etwa jährlich, sondern allein im 2. Quartal 2019!
Noch eine Bemerkung zu den städtischen Beteiligungen, bevor ich zum Ende komme:
In den Aufsichtsräten sitzen nur mehr Leute, die ÖVP und FPÖ nahestehen. Die anderen Fraktionen haben so gut wie keinen Einblick mehr in das Gebaren.
Dazu sollte man wissen, dass diese Tochterunternehmen mit Steuergeld operieren – also mit dem Geld der Bürger und Bürgerinnen. Die demokratische Vertretung der Bürger und Bürgerinnen aber – der Gemeinderat – hat kaum noch Einblick, was dort passiert, geschweige denn Einfluss darauf. Am drastischsten ist das bei der Holding.
Jetzt möchte ich kurz vorgreifen auf den Tagesordnungspunkt 3. Da beschließen wir heute die Haushaltsordnung der Landeshauptstadt Graz. Darin enthalten ist ein sehr wichtiger Punkt, den ich kurz zitieren möchte. Unter § 2 Absatz 2 steht unter anderem,dass alle mit der Erstellung und Vollziehung des Haushalts der Landeshauptstadt Graz befassten Organe und Dienststellen:
„Die Grundsätze der Effizienz sowie der Transparenz einschließlich einer möglichst umfassenden und wahrheitsgetreuen Darstellung der finanziellen Lage der Stadt“ zu beachten haben.
Weiters, in Absatz 3, wird dann konkret ausgeführt, dass die Beteiligungen nicht ausgenommen sind.
Es ist also klar: Berichte sollten lesbar und aussagekräftig sein. Jetzt frage ich mich – und die Frage sollten sich alle angelobten Gemeinderätinnen und Gemeinderäte stellen –, warum wird die Gebarung bei der Holding Jahr für Jahr intransparenter? Jetzt wird im Bericht über das Sponsoring nicht einmal mehr zwischen Geld- und Sachleistungen unterschieden. Bei der Energie Graz bekommt der Gemeinderat die Wirtschaftspläne nicht mehr zu sehen! Das, finde ich, muss sich bald ändern. Und das lässt sich leicht ändern. Ich hoffe doch, dass niemand hier in diesem Saal ein Interesse an Intransparenz hat.
„Es geht hier um Steuergeld, mit dem wir wirtschaftlich, zweckmäßig und sparsam umzugehen haben“ Sahar Mohsenzada
Abschließend möchte ich festhalten: Es geht hier um Steuergeld, mit dem wir wirtschaftlich, zweckmäßig und sparsam umzugehen haben. Die KPÖ findet: Die Stadt soll ein Gemeinwesen sein, das für all seine Bürger und Bürgerinnen da ist – und kein Selbstbedienungsladen und kein Topf zur Realisierung von Prestigeprojekten oder zum Bau von Luftschlössern.
Aus all den vorher genannten Gründen werden wir heute dem Budget nicht zustimmen.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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