20. November 2024

PRO ASYL zum heutigen EU-Innenministertreffen in Zagreb

Stel­lung­nah­me zum BMI-Vor­schlag zur »Neu­aus­rich­tung« des Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­sys­tems (GEAS)

Heu­te ist die Bun­des­re­gie­rung in zwei Staa­ten in Sachen Ver­hin­de­rung des Zugangs zu Asyl in Euro­pa und Per­fek­tio­nie­rung der Abschot­tung unter­wegs. Neben dem Erdoğan-Mer­kel-Tref­fen in der Tür­kei ist das The­ma Haft in Grenz­ver­fah­ren, Zurück­wei­sung in Nicht-EU-Staa­ten und Ver­tei­lung der in der EU befind­li­chen Schutz­su­chen­den auch ein The­ma beim infor­mel­len EU-Innen­mi­nis­ter­tref­fen in Zagreb.

PRO ASYL ist ange­sichts der bekannt gewor­de­nen Vor­schlä­ge des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums des Innern (BMI) für eine »Neu­aus­rich­tung« des Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­sys­tems (GEAS) vom 14. Novem­ber 2019 äußerst besorgt. Die­se Plä­ne wer­den nun wei­ter­ver­folgt. Hin­ter dem Begriff »Ver­teil­me­cha­nis­mus von Flücht­lin­gen« ver­birgt sich eine Kom­plett­re­vi­si­on des Asyl­sys­tems in der EU. »Es droht die Kom­plett­aus­he­be­lung des Zugangs zu einem fai­ren Asyl­ver­fah­ren in der EU sowie Haft in Grenz­ver­fah­ren mit Zurück­wei­sung in Nicht-EU-Staa­ten, die nicht sicher sind«, befürch­tet Gün­ter Burk­hardt, Geschäfts­füh­rer von PRO ASYL.

Mer­kel will dies in der Tür­kei vor­an­trei­ben, See­ho­fer beim EU-Innen­mi­nis­ter­tref­fen. Mit wohl­klin­gen­den Wor­ten wür­den Huma­ni­tät und Rechts­staat­lich­keit vor­ge­gau­kelt. »De fac­to wird ein Sys­tem erdacht, das bar jeder Rea­li­tät ist und neben unsäg­li­chem mensch­li­chen Elend das Recht auf Zugang zu Asyl in der EU aus­he­belt. PRO ASYL befürch­tet, dass Haft­la­ger ent­ste­hen und die Elend­sla­ger in Grie­chen­land zur Blau­pau­se wer­den. Die­ses Kon­strukt wird zu Mas­sen­ab­schie­bun­gen zurück in Tran­sit­staa­ten füh­ren, die mit Geld gekauft wer­den«, so Burk­hardt. Uner­klär­lich bleibt, wie unter rechts­staat­li­chen Gesichts­punk­ten die­se Ide­en funk­tio­nie­ren sol­len.

Die bekannt gewor­de­nen Über­le­gun­gen sind gera­de nicht geeig­net, um die vom BMI selbst gesteck­ten Zie­le zu errei­chen, näm­lich ein Sys­tem zu schaf­fen wel­ches »huma­ni­tä­ren Stan­dards genügt«, »in der Pra­xis funk­tio­niert« und wel­ches die »Über­las­tun­gen ein­zel­ner Mit­glied­staa­ten und die Bil­dung von men­schen­un­wür­di­gen Lagern ver­mei­det«. Statt­des­sen ist abseh­bar, dass es genau zu der Über­las­tung und den Lagern kommt – mit dra­ma­ti­schen Aus­wir­kun­gen für die Schutz­su­chen­den. Der Vor­schlag ist ein sys­te­ma­tisch ange­leg­ter Angriff auf den Zugang zum indi­vi­du­el­len Asyl­recht in der gesam­ten EU und auf das Recht auf einen wirk­sa­men Rechts­be­helf.

Die Stel­lung­nah­me von PRO ASYL beruht auf einer men­schen­recht­li­chen Ana­ly­se der Vor­schlä­ge und auf den prak­ti­schen Erfah­run­gen von PRO ASYL in Deutsch­land und in Grie­chen­land. Sie zeigt, dass

  • eine Prü­fung von »siche­ren Dritt­staa­ten« oder eine »Pri­ma-facie-Prü­fung« der Flucht­grün­de in der Pra­xis so umfas­send und umfang­reich sind, dass gro­ße Lager und lan­ge Haft­zei­ten unver­meid­bar sind;
  • durch die Grenz­ver­fah­ren und die Haft­la­ger die Haupt­ver­ant­wor­tung bei den glei­chen Staa­ten lie­gen wür­de wie bis­her;
  • eine pau­scha­le Inhaf­tie­rung aller Asyl­su­chen­den nach der Ein­rei­se in die EU unver­hält­nis­mä­ßig ist und zu kata­stro­pha­len Zustän­den wie aktu­ell auf den grie­chi­schen Inseln füh­ren wird;
  • ein ange­mes­se­ner Rechts­schutz an den Gren­zen nicht bestehen wird und Rechts­schutz ent­ge­gen der Vor­schlä­ge vor Ver­tei­lung bzw. Rück­füh­rung erfol­gen muss, um in Kon­for­mi­tät mit EuGH- und EGMR-Recht­spre­chung zu sein.

Anstatt zum aktu­el­len Zeit­punkt auf eine Reform des GEAS zu set­zen, hat PRO ASYL mit zahl­rei­chen ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen mit dem Ber­li­ner Akti­ons­plan im Novem­ber 2019 eine Imple­men­tie­rung der bestehen­den Rege­lun­gen zur Auf­nah­me von Flücht­lin­gen und zum Asyl­recht gefor­dert. Ein Neu­an­fang in der euro­päi­schen Asyl­po­li­tik bedeu­tet in ers­ter Linie die Rück­kehr zu Recht, Rechts­staat­lich­keit und die Ein­hal­tung von Völ­ker­recht an Euro­pas Gren­zen. Da es in abseh­ba­rer Zeit kei­ne neue Asyl­zu­stän­dig­keits­re­ge­lung geben wird, müs­sen in der Zwi­schen­zeit die huma­ni­tä­ren Spiel­räu­me der Dub­lin-III-Ver­ord­nung genutzt wer­den – z. B. bei der Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung sowie der Auf­nah­me von Boots­flücht­lin­gen oder Flücht­lings­kin­dern aus Grie­chen­land.

Hier geht es zur Stel­lung­nah­me von PRO ASYL »Gegen Haft und Ent­rech­tung schutz­su­chen­der Men­schen«.

Quelle:

Pro Asyl

Europa