Vor dem nächsten Abschiebeflug nach Afghanistan: Kabul laut UNHCR nicht sicher
Bund und Länder ignorieren Erkenntnisse des UNHCR
Für den kommenden Dienstag, 14. Januar ist der mittlerweile 31. Sammelabschiebeflug nach Kabul geplant. Ein aktueller Bericht des UNHCR aus Dezember 2019 kommt zum Ergebnis, dass die afghanische Hauptstadt nicht als sicher betrachtet werden kann: Aufgrund der Sicherheits- und Menschenrechtslage sowie der dramatischen humanitären Situation stelle Kabul laut UNHCR keine sogenannte »inländische Fluchtalternative« dar. Genau darauf verweist das BAMF aber immer wieder in seinen Ablehnungsbescheiden, und genau dort landen die Charterflüge. Damit bestätigt UNHCR seinen Befund vom 30. August 2018 (»Eligibility Guidelines«).
Bund und Länder setzen ihre Abschiebungspraxis in das von Gewalt und Krieg erschütterte Afghanistan allen Berichten und Erkenntnissen zum Trotz unvermindert fort. PRO ASYL fordert, die Abschiebungen nach Kabul sofort zu stoppen.
Der UNHCR-Bericht stützt die Analyse zum Verbleib von aus Deutschland nach Afghanistan Abgeschobener der Afghanistan-Expertin Friederike Stahlmann; ihre Resultate werden durch ähnliche Studien anderer Organisationen bestätigt. Demnach droht aus Deutschland Abgeschobenen bereits unmittelbar nach Ankunft in Kabul Gewalt und Gefahr für Leib und Leben. Durch ihren Aufenthalt in Europa gelten Betroffene als »verwestlicht«; nicht selten befürchten sie, erkannt und von den Taliban bedroht zu werden. Den Abgeschobenen drohen zudem Armut und Perspektivlosigkeit: Ohne finanzielle Mittel und einflussreiche Netzwerke ist der Aufbau einer Existenzgrundlage kaum zu bewerkstelligen (UNHCR-Bericht, S.13). Nur in wenigen Fällen erfahren die Betroffenen Unterstützung durch ihre Familien, sei es, weil sie selbst mittellos sind oder befürchten, wegen ihrer Angehörigen aus Europa selbst von den Taliban attackiert zu werden.
Die Sicherheitslage in Kabul ist geprägt von Gewalt und Willkür. Großanschläge der Taliban haben in Kabul 2019 zu zahlreichen Opfern geführt. Die Gefahr durch den sog. »Islamischen Staat« (IS) bleibt bestehen: Laut OCHA sind für 2020 und 2021 »spectacular mass casualty incidents« in Großstädten wie Kabul zu erwarten (UNHCR-Bericht, S. 7). Zudem müssen Zivilist*innen überall mit der Gefahr durch Gewalt, Überfälle und Entführungen durch organisierte Verbrechersyndikate rechnen; Polizei und Sicherheitskräfte vermögen sie kaum zu schützen, eine Strafverfolgung bleibt aus (UNHCR-Bericht, S. 7).
2019 sind laut OCHA innerhalb Afghanistans mehr als 426.000 Menschen vor Kämpfen geflüchtet, ein Anstieg um 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr; laut dem Global Peace Index ist Afghanistan aktuell das unsicherste Land der Welt mit den meisten Kriegstoten weltweit im Jahr 2018. Zu den Hundertausenden Binnenflüchtlingen, die das Land kaum versorgen kann, kommen weitere Hunderttausende aus dem Iran nach Afghanistan zurückgedrängte Afghan*innen.
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