Auf dem Weg zum „digitalen Klassenzimmer“?
Wie sich die Herrschenden die Digitalisierung der Schulen vorstellen
Der Ruf nach mehr Digitalisierung im Unterricht zieht sich durch die bürgerliche Öffentlichkeit. Die FDP erklärte sie sogar zu einem ihrer Kernthemen und auch die weiteren großen Parteien reden viel und phrasenhaft über die „Digitalisierung der Klassenzimmer“. Nur leider ist es mit diesem Thema nicht so einfach, denn dahinter versteckt sich nicht lediglich besseres Internet, sondern auch ein neuer, schwerwiegender Aspekt der sozialen Selektion.
Von der „IPad-Klasse“ zur „Samsung Lighthouse School“
Interessanterweise fallen die Tablets für den Unterricht nämlich freilich nicht vom Himmel – sie kosten ordentlich Geld. Beispielsweise schaut es bei einem Gymnasium in Südbayern wie folgt aus: Um eine „IPad-Klasse“ zu besuchen, müssen die SchülerInnen offensichtlich BesitzerInnen eines IPads sein, das auch noch versichert und in eine Schutzhülle gesteckt werden muss. Insgesamt kommt man da locker auf 500€. In der Regel wird die Software auch nur wenige Jahre unterstützt, sodass es hier nicht um einmalige Kosten geht. Hier wird also an öffentlichen Schulen noch härtere Selektion betrieben , denn die 500€ müssen ja erstmal aufgebracht werden. Ganz davon zu schweigen, dass die SchülerInnen und Lehrkräfte zusätzlich noch an Apple gebunden werden.
Es wird hier aber noch etwas anderes forciert: Der Computerriese und seine Mitbewerber bringen auch, natürlich gänzlich uneigennützig, einen eigenen Lehrplan raus. Weder das, noch die Lehrerfortbildungen, gestiftet von der Industrie, stellen laut den Kultusministerien eine Bedrohung für die Lehrmittelfreiheit dar, denn die PCs seien ja nur eine Ergänzung. Eine Ergänzung, die dafür sorgt, dass an manchen Schulen mittlerweile Schilder mit der Aufschrift „Samsung Lighthouse School“ hängen, da besagte Schulen Kooperationen mit den Monopolisten eingehen. Dann steht halt mal im Vertrag, dass LehrerInnen für Samsung auf Messen und im Sinne der Kompatibilität der Lernergebnisse untereinander für Software werben müssen. Das nervige Neutralitätsgebot verbietet sowas zwar eigentlich, aber laut kommunalen Schulträgern ist das dann halt einfach so.
Aufrüstung statt Investitionen in Schulen
Im Prinzip sollte der Digitalpakt zwar solche Situationen vermeiden, aber das ist bei fünf Milliarden Euro auf fünf Jahre für rund 40.000 Schulen nicht wirklich drin. Geld, das hier in unabhängige Fortbildungen für die Lehrkräfte, kostenlose Geräte für die SchülerInnen und freie Software investiert werden müsste, fließt allem Anschein nach eher in Aufrüstung der Bundeswehr und Zuschüsse für die Unternehmen. So wird aus der „Digitalisierung der Klassenzimmer“ vor allem: Degradierung der Lehrkräfte zu WerberInnen für Softwarelizenzen und Tablets, Öffnung von Tür und Tor für die digitalen Monopolisten, Vergrößerung der Chancenungleichheit und extreme Einschränkungen der Lehrmittelfreiheit und des Neutralitätsgebots and den Schulen Deutschlands.
Max, Solingen
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