Corona in Flüchtlingsunterkünften
Seit langem kritisiert der Bayerische Flüchtlingsrat, dass Bewohner*innen großer Sammelunterkünfte wie der bayerischen ANKER-Zentren bei Ausbrüchen von Krankheiten besonders gefährdet sind. Nach den Infektionen mit dem Coronavirus im Ankunftszentrum München von Anfang März wurden jetzt auch Fälle in ANKER-Zentren in Augsburg, Bamberg und Geldersheim bei Schweinfurt bekannt. Das ANKER-Zentrum Unterfranken in Geldersheim steht nun komplett unter Quarantäne.
Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert die Staatsregierung auf, die Gesundheit der Flüchtlinge auf die gleiche Stufe wie die der deutschen Bevölkerung zu stellen. Dazu gehört auch, endlich die Belegung zu entzerren und leerstehende Zimmer zu nutzen, wo es noch nicht geschehen ist. Wo dies nicht möglich ist, können Menschen auch in die zahlreichen, jetzt freien Hotels verlegt werden. Im neu eröffneten Behördenzentrum in Augsburg etwa müssen die Flüchtlinge einem Bewohner zufolge noch immer in einem Saal mit ca. 40 weiteren Personen in Stockbetten schlafen, die im Abstand von rund einem Meter voneinander aufgebaut sind. Die nötige Distanz zur Vermeidung von Ansteckungen ist hier nicht annähernd gewährleistet.
Doch anstatt die Situation zu entzerren, erhöht das bayerische Innenministerium den Druck sogar noch. Laut einem Rundschreiben vom 26.03.2020 sollen an Flüchtlingsunterkünfte anschließende Grünflächen gesperrt werden, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Nur die Grünflächen innerhalb der Unterkünfte sollen weiterhin nutzbar sein und für den nötigen Abstand der Sicherheitsdienst sorgen. Das ist für die Menschen, die sowieso schon auf engstem Raum zusammenleben müssen, eine weitere Einschränkung und stellt ihre Fähigkeit zur Eigenverantwortlichkeit komplett in Frage.
Wichtiger als alle beschränkenden Maßnahmen ist jetzt die umfassende Information der Menschen über die aktuelle Lage. Jedoch ist in den meisten Unterkünften abgesehen vom Sicherheitsdienst fast niemand mehr vor Ort, um den Flüchtlingen für Beratungen zur Verfügung zu stehen. Laut Weisung des Innenministeriums wird nun auch den Wohlfahrtsverbänden der Zugang zu den Unterkünften verwehrt, Ausnahmen gibt es nur, wenn sie aus Infektionsschutzgründen vertretbar sind. Allerdings ist die Informationslage in den einzelnen Unterkünften immer noch mangelhaft. Aushänge, die über die aktuelle Lage und die nötigen Sicherheitsvorkehrungen informieren, gibt es oft nicht in den jeweiligen Sprachen, wahrgenommen werden dann häufig nur die immensen Sanktionsandrohungen bei Nichtbefolgung der Ausgangsbeschränkungen.
„Es ist völlig klar, dass der Schutz aller Menschen vor dem Coronavirus oberste Priorität haben muss“, sagt Franziska Sauer vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Dafür reicht aber nicht aus, ganze Unterkünfte unter Quarantäne zu stellen. Flüchtlinge müssen überhaupt die Möglichkeit zur nötigen Distanz haben und umfassend über die Lage aufgeklärt werden. Es kann nicht sein, dass einerseits zur Vermeidung von Menschenansammlungen Grünflächen gesperrt werden und andererseits immer noch 30 oder 40 Personen in einem Raum schlafen, gemeinsam in der Kantine essen und sich Bad und Toilette teilen müssen. Hier muss das Innenministerium endlich tätig werden und für den nötigen Abstand sowie eine bessere Informationslage sorgen. Deshalb fordern wir: ANKER-Zentren schließen – spätestens jetzt!“
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