15. November 2024

Öffnungserlaubnis „durch die Hintertür“

„Da soll noch jemand sagen, es gäbe keine offenen Beweise dafür, dass die Unternehmen in Wiesbaden und Berlin ‚mitregieren‘ würden. Das seien Sprüche aus der ‚Mottenkiste‘ früherer Zeiten, als die Gewerkschaften noch vom ‚Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit‘ sprachen“, erklärt Bernhard Schiederig, Fachbereichsleiter Handel der ver.di in Hessen: „Jetzt hat die Hessische Landesregierung durch ihre ‚Auslegung‘ der Änderung der Vierten Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 16. April demonstriert, was die Uhr geschlagen hat.“ Sie regelt auch die Öffnung von Geschäften ab 20. April 2020 und hat Folgendes festlegt: „Grundsätzlich dürfen alle Verkaufsstellen des Einzelhandels unabhängig von ihrem Sortiment mit einer Verkaufsfläche bis 800 Quadratmeter öffnen. Größere Geschäfte können ebenfalls öffnen, wenn sie einen Teil ihrer Fläche abtrennen und so die Verkaufsfläche auf 800 qm oder weniger reduzieren.“

Demgegenüber berief sich noch am Freitag (17. April) die Stadt Wetzlar auf einen Hinweis des Hessischen Sozialministeriums und am gleichen Tag die „Frankfurter Allgemeine“ auf einen solchen aus dem Hessischen Wirtschaftsministerium, dass Großunternehmen ihre Filialen nicht künstlich auf eine Verkaufsfläche unter 800 Quadratmeter „eindampfen“ dürften, um ab Montag ebenfalls öffnen zu können. Diese Hinweise aus den Ministerien waren offenbar notwendig, weil die Verordnung der Hessischen Landesregierung dazu keine eindeutige Regelung enthalten hatte.

„Wie ist ein solcher Sinneswandel quasi ‚über Nacht‘ zu erklären? Wer hat denn da für ‚Albträume‘ bei den Regierenden gesorgt? Denn seit gestern erweisen sich die Rechtsauskünfte der beiden Ministerien als ‚Lug und Trug‘“, so Bernhard Schiederig weiter: „Die Glaubwürdigkeit der Politik wird nach dieser Auseinandersetzung nicht wirklich gewachsen sein. Schlimmer könnte allerdings empfunden werden, dass die Proteste der Unternehmen, insbesondere des Handels, es vermocht zu haben scheinen, dass die Hessische Landesregierung ‚schnurstracks‘ ihre Hände an die Hosennähte legte, um den ‚Befehlen‘ der eigentlich gerne selbst das Sagen führenden oder inoffiziell ‚Mitregierenden‘ sofort zu gehorchen. Das ist ‚Demokratie live‘, wie sie sich Lobbyisten wünschen.“

Hatte die Schließung von Geschäften und Betrieben noch etwas mit der Corona-Epedemie zu tun, so scheint deren Wiederöffnung also eher den wirtschaftlichen Zielen der Unternehmen geschuldet zu sein. Ist es dann tatsächlich noch ernst gemeint, was Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und Sozialminister Kai Klose am Samstag sagten: „Die Lockerung der Einschränkungen heißt nicht, dass die Bedrohung durch das Virus vorbei ist – im Gegenteil: Wenn wir jetzt leichtsinnig werden, gefährden wir unsere gemeinsamen Erfolge bei der Bekämpfung der Pandemie, die nur durch die Kontaktverbote und drastischen Maßnahmen erreicht werden konnten. Deshalb müssen wir bei jeder Lockerung mit äußerster Vorsicht und Augenmaß vorgehen“.

Bernhard Schiederig dazu: „Ganz besonders spannend dürfte es werden, wer die Einhaltung der Hygienevorgaben gerade in Einkaufszentren kontrollieren wird. Denn dort dürfen jetzt alle Geschäfte öffnen, und auf den ‚Wandelgängen‘ tummeln sich dann massenhaft die Kund*innen – selbstverständlich immer im Abstand von 1,5 Meter. Wer denkt dabei noch an die Corona-Pandemie?“

Quelle:

ver.di Landesbezirk Hessen

Hessen