14. November 2024

Verlag 8. Mai feiert 25jähriges Bestehen

junge Welt, 13. April 1995Es war eines der waghalsigen Unternehmen der Nachwendezeit: Am 25. April 1995 gründeten ein west- und ein ostdeutscher Redakteur in Berlin die Verlag 8. Mai GmbH, um die einige Tage zuvor eingestellte Tageszeitung junge Welt in Regie der Belegschaft weiter herausgeben zu können. Obwohl damals Beobachter und die meisten Akteure dem Projekt keine Chance einräumten, stehen Verlag und Zeitung 25 Jahre später stabil da, trotz Branchen- und Coronakrise. „Heute verkaufen wir täglich über 20.000 Einheiten der jungen Welt. Damit ist die Auflage höher als 1995“, teilt Chefredakteur Stefan Huth mit.

Bis 1989 war die junge Welt das Zentralorgan der FDJ und die auflagenstärkste Tageszeitung der DDR. Sie war nach der Wende an einen Westberliner Verleger verkauft worden, der nach starkem Auflagenverfall im April 1995 Konkurs anmeldete und das Ende der Zeitung verkündete. Der damalige Betriebsratsvorsitzende Dietmar Koschmieder, erster festangestellter Westredakteur bei der jungen Welt, gründete daraufhin mit seinem Ostkollegen Klaus-Dieter Fischer die Verlag 8. Mai GmbH und später mit Leserinnen und Lesern der Zeitung die Genossenschaft LPG junge Welt eG. Nach dem Modell der Taz sollte damit sichergestellt werden, dass der Verlag unabhängig bleibt und in Krisenzeiten über Kapitalreserven verfügt. Der Name des Verlages soll an die Befreiung Deutschlands vom Hitlerfaschismus (bei Verlagsgründung vor genau 50 Jahren) erinnern, erklärt Koschmieder.

Neben der jungen Welt wird im Verlag auch das „Magazin für Gegenkultur“ Melodie & Rhythmus herausgegeben, ebenfalls ein traditionsreicher DDR-Titel. Beide Produkte haben heute Leserinnen und Leser auch in den alten Bundesländern und sind damit die beiden einzigen DDR-Titel, die sich nach der Wende im Westen der Republik etablieren konnten. Dietmar Koschmieder ist bis heute Geschäftsführer des Verlages. Den Erfolg führt er auf die besonderen Inhalte der Medienangebote, eine originelle Marketingstrategie und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen digitaler und gedruckter Zeitung zurück. Seit Mitte der 90er Jahre kann die junge Welt im E-Mail-Abo und seit 20 Jahre als Onlineabo bezogen werden. Im Gegensatz zu anderen Verlagshäusern hält der Verlag 8. Mai aber weiter engagiert am Kulturgut gedruckte Tageszeitung fest. „Gerade in Zeiten der Coronakrise wird deutlich, dass gedruckte Tageszeitungen eine viel höhere Glaubwürdigkeit besitzen als der Häppchenjournalismus im Netz, dessen Quellen nicht selten recht dubios sind“, meint Koschmieder. Entscheidend für den Erfolg sei aber letztlich die inhaltliche Ausrichtung der Zeitung, ergänzt Stefan Huth: „Die junge Welt nimmt offen einen marxistischen Standpunkt ein, ohne einer Partei oder anderen Organisation verpflichtet zu sein.“ Dieses journalistische Angebot findet wachsenden Zuspruch, so Huth. Die geplanten Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Verlagsgründung mussten allerdings wegen der Coronakrise vertagt werden, teilt der Verlag mit. Die Arbeit in Verlag und Redaktion geht aber ohne Einschränkungen weiter.

Quelle:

Pressemitteilung der Tageszeitung junge Welt


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