Ablenkungsmanöver in Washington, folgenlose Resolutionen in New York
In den USA gibt es viele gute Wissenschaftler. Zum Beispiel Tom Ginsburg. Der Professor für Völkerrecht an der Universität von Chicago vermutet hinter der »Klage« des USA-Bundesstaates Missouri gegen die chinesische Regierung, die Kommunistische Partei Chinas, eine ganze Reihe von Ministerien sowie die Regionalregierung der Provinz Hubei und die Stadtverwaltung von Wuhan wegen angeblicher »Täuschung der Öffentlichkeit« und »Unterdrückung wichtiger Informationen« ein Ablenkungsmanöver: »Wir sehen, daß sich viele Leute von Seiten der politischen Rechten auf das China-Thema konzentrieren, um die eigenen Fehler der USA-Regierung zu überdecken«, sagte Ginsburg gestern.
Das gilt besonders für USA-Präsident Trump und seine Administration selbst. Erst am Montag hatte der Handelsbeauftragte Peter Navarro gegenüber dem Sender »Fox Business Network« die hanebüchene Vermutung geäußert, die chinesische Regierung könnte in den ersten Wochen der Epidemie Daten über das neuartige Coronavirus zurückgehalten haben, um sich im profitträchtigen Rennen um die Entwicklung eines Impfstoffs einen Vorsprung gegenüber den USA zu verschaffen. »Doch wir werden sie schlagen!«, fügte er im Lieblingssender des Handelskriegers und ganz im Trumpschen Duktus hinzu.
Indes, die Wirklichkeit ist auch hier eine ganz andere: Seit dem Ausbruch von SARS-CoV-2, wie das Virus mittlerweile genannt wird, teilt China sämtliche gewonnenen Informationen umgehend mit der internationalen Staatengemeinschaft, inklusive den USA – und zwar in einer offenen, transparenten und verantwortungsvollen Art und Weise.
Bereits am 12. Januar, nur fünf Tage nachdem das Virus erstmals identifiziert wurde, machten chinesische Wissenschaftler die von ihnen sequenzierten Genome der ersten 2019-nCoV-Erreger für alle Welt öffentlich. Beim, um bei Navarros und Trumps Sprechweise zu bleiben, »Business Race« um einen Impfstoff hatten also die chinesischen und die Forscher in den USA die selben Startbedingungen.
Navarros Sprache aber verrät, daß er sich von einem Impfstoff gegen SARS-CoV-2 offenbar einen milliardenschweren Beutezug für US-amerikanische Pharmakonzerne verspricht. Leider läßt das an eine vermeintliche »Offentlich-Private Partnerschaft« (PPP) erinnernde Finanzierungskonstrukt CEPI (»Coalition for Epidemic Preparedness Innovations«) genau das auch in Europa befürchten. So teilte die deutsche Regierung in Beantwortung einer parlamentarischen Frage zur staatlichen Subventionierung der Impfstoffentwicklung des privaten Pharmaunternehmens Curevac mit, daß die »geistigen Eigentumsrechte grundsätzlich bei den Partnern verbleiben« sollen.
In New York hatten sich, ebenfalls am Montag, die 193 Mitgliedstaaten der UNO in einer einstimmig angenommenen Resolution der Vollversammlung für einen gleichberechtigten Zugang zu künftigen Impfstoffen ausgesprochen. Allen Staaten, vor allem aber den Entwicklungsländern, sollten diese sowie Medikamente gegen die von SARS-CoV-2 verursachte Krankheit COVID-19 »gerecht und transparent« zugänglich gemacht werden.
An UNO-Generalsekretär António Guterres appellierte die Vollversammlung, Vorkehrungen für eine faire weltweite Verteilung von Präventionsmitteln, Tests sowie künftigen Medikamenten und Impfseren im Kampf gegen die Pandemie zu treffen. Eingebracht worden war die Resolution von Mexiko. Sie ist jedoch im Gegensatz zu jenen des UNO-Sicherheitsrates völkerrechtlich leider nicht bindend.
Oliver Wagner
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