Ein »Marshall-Plan« für das Großkapital
Nachdem die Europäische Union in den zurückliegenden Wochen seit Ausbruch der Corona-Krise bereits hinlänglich und sehr überzeugend ihre Unfähigkeit bewiesen hat, mit den aktuellen Problemen fertig zu werden, kommt nun noch hinzu, daß die Präsidentin der EU-Kommission die völlige Untauglichkeit dieses Staatenbundes nachweist, überhaupt mit Krisensituationen wie dieser klarzukommen.
Am Wochenende hat Ursula von der Leyen in einem Artikel dargelegt, wie sie sich die Lösung der Probleme vorstellt. Sie nutzte dazu nicht etwa die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, das Organ der deutschen Großbourgeoisie, denn deren Zielgruppe ist bestens im Bilde über die Grundrichtung der Politik der EU – schließlich ist ja die Kommissionschefin ihre Vertreterin. Die frühere deutsche Multi-Ministerin schrieb in Springers Massenblatt »Welt am Sonntag« über ihre Ansichten. Interessant sind dabei eigentlich drei Aspekte.
Zunächst räumte sie ein, daß die EU zu Beginn der Krise – wobei weder Zeitpunkt noch Zeitraum konkret benannt werden – »Fehler« gemacht habe, die aber nun – wem auch immer sei Dank – überwunden seien. Das ist blankes Schönreden, denn das komplette Versagen, aus den Erfahrungen Chinas Schlußfolgerungen zu ziehen und konkrete Maßnahmen gegen die unkontrollierte Ausbreitung der Pandemie für alle 27 Mitgliedstaaten plus Britannien zu ergreifen, ist wohl doch etwas mehr als ein »Fehler«. Wahrscheinlich könnte man das eher als einen Geburtsfehler dieser »Union« bezeichnen.
Dann beschreibt sie munter ihre wunderbare Idee, der EU einen »Marshall-Plan« überzustülpen. Dabei baut sie offensichtlich darauf, daß nur sehr wenige der Leser von Springers Druckerzeugnissen überhaupt wissen, daß es sich bei dem »Marshall-Plan« nicht um eine angeblich uneigennützige Hilfe der USA für Westeuropa handelte, sondern in erster Linie um ein Instrument der Profitmaximierung für die Großunternehmen in »Gottes eigenem Land«.
Die sogenannten Hilfen aus dem im Juni 1947 verkündeten Plan, der nach dem USA-Außenminister George C. Marshall benannt wurde, waren nämlich an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, die unter dem Strich darauf hinausliefen, daß Großunternehmen und Banken der USA in alle Projekte eingebunden wurden und entsprechenden Gewinn machen konnten. Daß auch Unternehmen und Banken in Westeuropa, in erster Linie in Westdeutschland, damit deutlich gestärkt wurden, und daß die Mehrheit der Menschen in den einbezogenen Ländern eine Verbesserung ihres Lebens verspürten, war nichts weiter als ein angenehmer und durchaus geplanter Nebeneffekt.
Die eigentlichen Leistungen beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurden allerdings von den Menschen erbracht, die beim Aufräumen der Trümmer, in den Fabriken und auf den Feldern unter großen Entbehrungen tätig waren. Es sei daran erinnert, daß zum Beispiel Luxemburg entsprechend den Bedingungen des »Marshall-Plans« auf sämtliche Reparationsforderungen an Deutschland verzichten mußte, und auch daran, daß Kredite (!) aus dem »Marshall-Plan« erst in den 50er Jahren beim Bau von Stauwerken zum Einsatz kamen.
Und schließlich lobt Frau von der Leyen in den höchsten Tönen einige Beispiele gegenseitiger Hilfe unter EU-Staaten, die allerdings angesichts der laufenden Querelen in der EU und mit Blick auf die konkrete Hilfe durch medizinisches Personal und Ausrüstung aus den Nicht-EU-Staaten China, Rußland und Kuba außerordentlich bescheiden daherkommen.
Es läßt sch nicht daran rütteln, daß diese Europäische Union nicht dazu geschaffen wurde, den Interessen der Millionen Menschen zu dienen…
Uli Brockmeyer
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