26. Dezember 2024

Kein »business as usual« bei Abschiebungen während einer Pandemie!

PRO ASYL, Lan­des­flücht­lings­rä­te und Jugend­li­che ohne Gren­zen for­dern anläss­lich der Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz ein bun­des­wei­tes Abschie­bungs­mo­ra­to­ri­um wäh­rend der COVID-19-Pan­de­mie – Abschie­bun­gen sind in einer sol­chen Zeit nicht zu ver­ant­wor­ten! In vie­len Ziel­staa­ten ändert sich die Lage auf­grund der Pan­de­mie dras­tisch. Dub­lin-Abschie­bun­gen dür­fen auch wei­ter­hin nicht durch­ge­führt wer­den.

Kei­ne Dub­lin-Abschie­bun­gen!

Mit der Auf­he­bung der Rei­se­war­nung für EU-Staa­ten ab dem 15. Juni ist davon aus­zu­ge­hen, dass auch inner­eu­ro­päi­sche Abschie­bun­gen im Rah­men der Dub­lin-III-Ver­ord­nung wie­der voll­zo­gen wer­den sol­len. Aber als deut­scher Tou­rist in ein ita­lie­ni­sches Hotel ein­zu­che­cken ist eben nicht das glei­che, wie als Asyl­su­chen­der in die dor­ti­gen pre­kä­ren Ver­hält­nis­se geschickt zu wer­den.

In Ita­li­en gab es schon vor Coro­na gra­vie­ren­de Män­gel bei den Auf­nah­me­be­din­gun­gen, vie­len zurück­ge­schick­ten Asyl­su­chen­den droht die Obdach­lo­sig­keit (sie­he Bericht der Schwei­ze­ri­schen Flücht­lings­hil­fe vom Janu­ar 2020). Es ist zu befürch­ten, dass die Aus­wir­kun­gen der in Ita­li­en beson­ders mas­si­ven Coro­na-Kri­se auf die Auf­nah­me­be­din­gun­gen ver­hee­rend sind. Rund ein Drit­tel aller deut­schen Dub­lin-Über­stel­lun­gen gehen nach Ita­li­en. Die Bun­des­re­gie­rung soll­te auch wei­ter­hin kei­ne Dub­lin-Über­stel­lun­gen durch­füh­ren!

Zudem muss das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge Asyl­su­chen­de, die Coro­na-bedingt nicht inner­halb der gesetz­li­chen Frist in ande­re euro­päi­sche Län­der abge­scho­ben wer­den konn­ten, ins natio­na­le Asyl­ver­fah­ren über­neh­men. Ein Hin­aus­zö­gern der Frist auf­grund der Pan­de­mie, um einen Über­gang der Zustän­dig­keit auf Deutsch­land zu ver­hin­dern, ist euro­pa­rechts­wid­rig. Dies hat­te PRO ASYL bereits im April dar­ge­legt (sie­he News) und wur­de nun auch vom VG Schles­wig-Hol­stein in meh­re­ren Ver­fah­ren ent­spre­chend geur­teilt (sie­he bei­spiels­wei­se hier).

Kei­ne Abschie­bun­gen in Dritt­staa­ten!

Auch ist zu befürch­ten, dass von der Poli­tik nun eine rasche Rück­kehr zu »busi­ness as usu­al« bei Abschie­bun­gen for­ciert wird, ohne dabei die Situa­ti­on in den Ziel­staa­ten zu berück­sich­ti­gen. Abschie­bun­gen wäh­rend der Pan­de­mie sind auch The­ma bei der Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz, die vom 17.–19. Juni in Erfurt statt­fin­det.

PRO ASYL, die Lan­des­flücht­lings­rä­te und Jugend­li­che ohne Gren­zen ver­ur­tei­len sol­che Bestre­bun­gen. Zahl­rei­che Län­der, beson­ders im glo­ba­len Süden, ste­hen erst am Beginn einer Aus­brei­tung des Coro­na-Virus. Im Iran und Nord­ma­ze­do­ni­en droht laut Berich­ten je eine zwei­te und grö­ße­re Infek­ti­ons­wel­le, da Maß­nah­men zu früh gelo­ckert wur­den. Außer­dem hat die Pan­de­mie in vie­len Län­dern, in die Abschie­bun­gen durch­ge­führt wer­den, viel weit­rei­chen­de­re Aus­wir­kun­gen als in Deutsch­land. Zum Bei­spiel:

  • In Afgha­ni­stan – laut dem Glo­bal Peace Index 2019 das unsi­chers­te Land der Welt – droht auf­grund der Ein­schrän­kun­gen zur Ein­däm­mung des Coro­na-Virus und stei­gen­der Lebens­mit­tel­prei­se eine Hun­gers­not;
  • Ost­afri­ka­ni­sche Län­der wie Äthio­pi­en und Soma­lia kämp­fen nicht nur gegen COVID-19, son­dern seit dem letz­ten Jahr bereits gegen die schlimms­te Heu­schre­cken­pla­ge seit Jahrz­en­ten;
  • Im Irak besteht wegen der Aus­wir­kun­gen des Coro­na-Virus die Gefahr des Erstar­kens des soge­nann­ten »Isla­mi­schen Staa­tes«.

Des­we­gen erneu­ern die Orga­ni­sa­tio­nen ihre For­de­rung, dass es wäh­rend der Pan­de­mie ein Abschie­bungs­mo­ra­to­ri­um geben muss. Da Abschie­bun­gen nicht ver­tret­bar sind und viel­fach auch prak­tisch wei­ter­hin schei­tern wer­den, soll­ten die betrof­fe­nen Per­so­nen auch nicht in einem ner­ven­auf­rei­ben­den Schwe­be­zu­stand gelas­sen wer­den.

Die Bun­des­län­der müs­sen min­des­tens für beson­ders betrof­fe­ne Staa­ten Abschie­bungs­stopps erlas­sen. Die Orga­ni­sa­tio­nen kri­ti­sie­ren, dass offen­bar kei­ne genaue Prü­fung der auf­grund der Pan­de­mie geän­der­ten Situa­ti­on und Lebens­um­stän­de in den Abschie­bungs­ziel­staa­ten statt­fin­det.

Ers­te Sam­mel­ab­schie­bun­gen wur­den bereits durch­ge­führt, dar­un­ter Ende Mai die einer acht­köp­fi­gen Roma-Fami­lie mit einem behin­der­ten Kind nach Ser­bi­en.

Die voll­stän­di­gen Anlie­gen von PRO ASYL zur Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz vom 17.–19. Juni 2020 fin­den Sie hier. Für Pres­se­an­fra­gen an PRO ASYL wen­den Sie sich bit­te an: presse@proasyl.de

Hin­weis: Geflüch­te­te Jugend­li­che der Initia­ti­ve »Jugend­li­che ohne Gren­zen« ver­an­stal­ten anläss­lich der Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz ein Pro­test- und Kul­tur­pro­gramm, das von zahl­rei­chen Orga­ni­sa­tio­nen unter­stützt wird. Am 17.6. küren sie beim Gala-Abend ab 19 Uhr den dies­jäh­ri­gen Abschie­bungs­mi­nis­ter. Mehr Infor­ma­tio­nen fin­den sich unter: http://jogspace.net/gala-abend/

Für Pres­se­an­fra­gen an Jugend­li­che ohne Gren­zen, wen­den Sie sich bit­te an: Zuh­ra Hass­anza­da und Wafaa Naes, presse@jogspace.net

Infor­ma­tio­nen und Aktio­nen zur IMK 2020 in Erfurt fin­den Sie unter: https://www.fluechtlingsrat-thr.de/imk2020

Quelle:

Pro Asyl

Menschenrechte