15. November 2024

Ein vernünftiger Vorschlag

Der Vorschlag der Salariatskammer, jedem Einwohner und jedem hier arbeitenden Grenzgänger einen Einkaufsgutschein in Höhe von 200 Euro zu schenken, um einerseits den Kaufkraftverlust der Schaffenden in der COVID-19-Krise in Grenzen zu halten, und andererseits zu einem Gelingen des Neustarts im lokalen Handel beizutragen, wurde im »Wort« bereits in der Überschrift als Forderung nach »Helikoptergeld« abgetan, das »den Staat um die 170 Millionen Euro kosten (würde)«.

Zwar könnte man einwenden, »Helicopter money« sei vom neoliberalen US-amerikanischen Ökonomen und Pinochet-Bewunderer Milton Friedman erfunden worden, doch sonst hat das Bistumsblatt mit dem »Vater des Monetarismus« doch auch keine Probleme.

Zusammen mit dem nicht minder reaktionären August von Hayek erdachte Friedman an der University of Chicago jene »Reagonomics«, mit denen die US-amerikanische Mittelschicht in den 80er Jahren weitgehend zugunsten des Finanzkapitals enteignet wurde. Doch eine geldpolitische Maßnahme der Regierung oder – was Friedman sicher lieber gewesen wäre – der Zentralbank ist ja nicht deshalb falsch, weil sie von einem Diktatorenanhänger stammt.

Der Begründer der Monetaristischen Schule wollte mit seinem »Helicopter money« aufzeigen, daß Inflation immer und überall von der Menge des in Umlauf befindlichen Geldes abhängt. Wenn also beispielsweise die US-amerikanische Notenbank Fed einen Hubschrauber mietet, einen Haufen Dollarnoten einlädt und dieses »Helikoptergeld« auf Städte und Dörfer regnen läßt, so würde der plötzliche Geldsegen die Menschen veranlassen, mehr zu kaufen, sagte Friedman voraus. Und eine höhere Nachfrage – so wird es jedenfalls an jeder Universität in den USA oder Europa gelehrt – läßt die Preise steigen.

Gegen Friedmans These spricht, daß die Menge des in Umlauf befindlichen Geldes in den vergangenen drei Jahrzehnten weltweit rasant gestiegen ist, die Inflationsrate aber gleichzeitig immer mehr zurückging. Grund für die beständig gesunkene Inflationsrate, die nun schon seit Jahren in der Nähe von null liegt, ist das viele Geld, das die Geschäftsbanken mit Segen der EZB und anderer Notenbanken durch die Vergabe von Krediten an die Kapitalisten, Staaten und andere Geschäftsbanken »schöpfen«, das jedoch bei der breiten Masse nicht ankommt.

Die Leute kaufen nicht genug, weil sie es sich schlicht und ergreifend nicht leisten können. Deshalb hatten wir es schon lange vor der Coronakrise mit einer stagnierenden Kaufkraft zu tun, die nicht in der Lage war, die Finanz- und Überproduktionskrise seit 2007 – vorübergehend! – zu beenden.

Der Vorschlag der Salariatskammer, das Geld nicht den Banken zu geben, sondern denen, die es dringend brauchen, ist nebenbei gesagt auch im Sinne des Funktionierens der kapitalistischen Wirtschaft vernünftig. Die Verteilung von Einkaufsgutscheinen an alle Einwohner und Berufspendler wäre in seiner Wirkung ähnlich einer Senkung der Lohnsteuer oder der Konsumsteuer (TVA), wie sie die deutsche Regierung zumindest für die zweite Jahreshälfte angekündigt hat. Die Verteilungswirkung wäre sogar noch besser, denn Kinderreiche und Menschen ohne Einkommen hätten mehr davon, die Gutscheine würden schneller eingelöst und der konjunkturelle Impuls fiele damit noch kräftiger aus.

Oliver Wagner

Quelle:

Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

Luxemburg