Im Schatten der Krise
Die Ereignisse, die sich im Zuge der Corona-Krise weltweit abspielen, bieten uns wieder einmal eine deutliche Lektion in Sachen »Gewöhnlicher Kapitalismus«. Das betrifft vor allem die Maßnahmen, über die nicht in den Schlagzeilen der bürgerlichen Medien berichtet wird, also solche, die sich gewissermaßen im Schatten der Krise verbergen.
Viel Tamtam wird seit Wochen über die sogenannten Hilfsmaßnahmen gemacht, die ergriffen werden, um Banken und Konzerne vor Verlusten in der Corona-Krise zu bewahren. Nicht gesprochen wird darüber, daß viele der Empfänger dieser Hilfsgelder eigentlich gar keine Hilfe bräuchten, vor allem solche, die den Aktionären ungeachtet der Schreckensmeldungen über Krisenauswirkungen munter und ohne Scham deren Anteil am Gewinn in Form von Dividenden auszahlen. Vornehm verschwiegen wird auch, daß nicht wenige Großunternehmen, eben weil sie für die kapitalistische Gesellschaft »systemrelevant« sind, mit den Hilfsgeldern eigentlich einen Konjunkturzuschuß zugeschanzt kriegen. Allein deutsche Rüstungskonzerne sollen aus dem 130-Milliarden-Paket der Bundesregierung rund 10 Milliarden absahnen…
Über die vielen kleinen Unternehmen, den Laden an der Ecke, den Handwerksbetrieb nebenan oder die Kneipe gegenüber wird wenig geredet. Deren Inhaber sind nämlich tatsächlich gebeutelt, denn sie müssen echte Verluste stemmen, und niemand weiß, wie viele von ihnen in den nächsten Wochen das Handtuch werfen müssen.
Völlig verschwunden von der Tagesordnung sind – sicher zur Erleichterung der Regierenden und der Leute, deren Interessen sie vertreten – wichtige Themen, die vor der coronabedingten Krise eine Rolle zu spielen begonnen hatten. Wer spricht denn heute von dringend notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor Krankheiten wie Ebola oder HIV? Welchen Platz nehmen heute Klima und Umwelt ein? Wen interessiert, daß täglich viel mehr Kinder an Hunger und an eigentlich heilbaren Krankheiten sterben als am Coronovirus?
Interessant ist auch der Wettlauf um wirksame Medikamente gegen Covid-19. Da achten die USA und die EU peinlich darauf, daß unbedingt ein Pharmakonzern aus ihrem jeweiligen Herrschaftsgebiet das Rennen macht und als Sieger auf den Weltmarkt marschieren kann. Die vielfach gestellte Frage, ob alle Länder gleichberechtigten Zugang zu einem künftigen Medikament bekommen, ist bisher nicht beantwortet. Und erst recht nicht die Frage, ob das Medikament dann eher den Menschen helfen oder den Aktionären die Taschen füllen wird.
Nicht sehr viel spricht dafür, daß unsere Welt in einem besseren Zustand aus der Krise herauskommen wird, genau genommen ist zu erwarten, daß es danach nur für die Besitzenden, also das oft erwähnte »eine Prozent«, eine bessere Zukunft geben wird. Milliardäre wie Amazon-Chef Bezos haben schon längst die Geldzählmaschine auf eine höhere Geschwindigkeit geschaltet – während die Zahlen der Arbeitslosen in kaum gekannte Höhen steigen.
Wie gehabt geht es auch inmitten der Corona-Krise weiter mit den größten Übeln dieser Gesellschaftsordnung. Kein einziger Krieg wurde wegen Quarantäne gestoppt, Kriegsmanöver gehen ab sofort wieder los, und die in den letzten Tagen neu verhängten Sanktionen der USA gegen Kuba, Venezuela und Syrien, die ungebremste feindselige Politik gegen Rußland und China machen deutlich, daß noch viele Anstrengungen notwendig sind, um nicht nur die Corona-Krise zu überwinden, sondern die eigentliche Krise: die Krise des Kapitalismus.
Uli Brockmeyer
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