Menschenrecht auf Wohnung uneingelöst
Von Heinrich Zille (1858-1929) stammt der angesichts fortbestehender kapitalistischer Verhältnisse weiterhin gültige Satz: »Man kann einen Menschen mit einer Axt erschlagen, aber man kann ihn auch mit einer Wohnung erschlagen.«
Wie recht der Berliner Volksmaler gerade auch in Bezug auf das heutige Luxemburg hatte, wird deutlich, wenn man sich die einschlägigen Studien und Berichte der Salariatskammer, des EU- und des nationalen Statistikamtes oder auch des »Luxembourg Institute of Socio-Economic Research« und des »Observatoire de l’habitat«, das im ministeriellen Auftrag regelmäßig die Wohnungs- und Immobilienanzeigen studiert, zu Gemüte führt.
Doch erst sollte man wissen, daß im Kapitalismus auch die Wohnung eine Ware ist – wenn auch eine besondere. Weil jeder Mensch auf sie angewiesen ist, wird sie »wirtschaftliches Basisgut« genannt. Und entgegen der allgemeinen Marktlogik lösen selbst seit Jahrzehnten stark steigende Mieten – bei gleichzeitig seit Jahren niedrigsten Zinsen auf Baukredite – offensichtlich keine großen zusätzlichen Investitionen in neue Wohnungen aus.
Das erstaunt, zumal in der Immobilienwirtschaft ohne Kredit gar nichts geht. Aber es erhalten eben nicht alle von ihrer Bank Baukredite, und für keine andere Investition ist die Amortisationszeit von bis zu 50 Jahren so lang wie bei Bauvorhaben.
Unter der Angebotsverknappung und den beständig steigenden Wohnkosten – der Statec spricht zwischen 2011 und 2018 von jährlichen Steigerungsraten um die 5,4 Prozent – leiden einer Ende 2018 veröffentlichten Studie zufolge insbesondere die Schaffenden – vor allem Alleinerziehende und Familien mit Kindern.
In seinem Jahresbericht 2018 zu »Arbeit und sozialem Zusammenhalt« hatte der Statec darauf aufmerksam gemacht, daß in Luxemburg mittlerweile durchschnittlich 42 Prozent der Haushaltsausgaben auf die Wohnung entfallen, Tendenz weiter steigend. Die Statistiker haben ermittelt, daß ein durchschnittlicher Haushalt, der aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern besteht, Monat für Monat 1.542 Euro für die Wohnung berappen muß.
Zuletzt fand die Salariatskammer in ihrem »Panorama social 2020« heraus, daß mittlerweile beinahe zwei von fünf luxemburgischen Haushalten (38,8 Prozent) Probleme damit haben, die Kosten für ihre Bleibe zu stemmen.
Bereits im August letzten Jahres hatte der Statec herausgefunden, daß die ärmsten Einwohner am meisten unter den gestiegenen Wohnkosten leiden. Die ständige Verteuerung auf dem Wohnungsmarkt, erklärte das Statistikamt, habe dazu geführt, daß der Anteil der von Armut bedrohten Menschen im Jahr 2017 um mehr als acht Prozentpunkte (von 15,8 auf 24 Prozent) gestiegen ist.
Einen gehörigen Anteil daran, daß das in der Menschenrechtsdeklaration der UNO festgehaltene Recht auf eine angemessene Wohnung in Luxemburg für viele unerfüllt bleibt, hat der besonders niedrige Anteil an Sozialwohnungen. In Österreich gibt es laut Eurostat 107,8 Sozialwohnungen pro 1.000 Einwohner, in den Niederlanden sind es 146,3 und in Schweden sogar 216,9 pro 1.000 Einwohner.
Um den Stand Österreichs zu erreichen, müßte es in Luxemburg also 67.494 Sozialwohnungen geben. Gleichauf mit Schweden wären wir erst, wenn es 135.803 geben würde. Die Forderung der KPL, jedes Jahr 4.000 Sozialwohnungen in staatlicher und/oder kommunaler Regie errichten zu lassen, ist also alles andere als überzogen.
Oliver Wagner
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