Hessischer Polizist kritisiert „NSU 2.0“-Ermittlungen
Aus den Reihen der hessischen Polizei selbst gibt es nun erstmals Kritik an den Ermittlungen bezüglich der „NSU 2.0“-Drohschreiben, die auf ein mögliches rechtsextremes Netzwerk in den Landesbehörden hinweisen. „Es ist frustrierend und unzureichend, dass keine weiteren Maßnahmen gegen den Kollegen veranlasst werden“, sagte Martin Kirsch von der Kriminaldirektion gegenüber „nd.Die Woche“.
Er bezieht sich auf den Beamten eines Wiesbadener Reviers, unter dessen Kennung Daten von der hessischen Linksfraktionvorsitzenden Janine Wissler abgefragt wurden. Der Beamte behauptete, nicht für die Abfrage verantwortlich zu sein und wird bei den laufenden Ermittlungen nur als Zeuge, nicht aber als Beschuldigter geführt. „Auch in den aktuellen Fällen muss es bei verdächtigen Kollegen Durchsuchungen geben“, forderte Kirsch.
Von dem frisch eingesetzten Sonderermittler erwartet der Beamte keine Aufklärung darüber, wer für die Drohbriefe verantwortlich ist. „Ein Sonderermittler steht vor den gleichen Problemen wie die Arbeitsgruppe mit den 60 Beamten, die bereits seit Jahren in dem Komplex ermittelt. Dazu kommt seine Einsetzung viel zu spät, er kann nichts mehr bewegen“, sagte der Polizist. Der Schritt entspringe viel mehr einem „Aktionismus“, genauso wie der Rücktritt des Landespolizeipräsidenten Udo Münch. Kirsch plädiert langfristig für strukturelle Änderungen. „Eine neutrale Ermittlungsinstanz außerhalb der Polizei wäre ein wichtiger Schritt.“ Generell hält Kirsch es für möglich, dass sich rechtsextreme Polizisten auch in einer Gruppe zusammengeschlossen haben. „Ich will nicht ausschließen, dass es rechte Chatgruppen gibt, die sich über ganz Hessen vernetzen.“
Kirsch ist seit 2006 Polizist und arbeitet seit 2019 bei der Kriminaldirektion. Der Beamte engagiert sich auch bei den hessischen Grünen und der Vereinigung „Polizei Grün“. Diese Initiative strebt nach eigener Aussage eine „tolerante, kritikfähige und rechtsstaatliche Bürgerpolizei“ an.
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