Schwierige Wahl
Zweimal wurden sie wegen Corona verschoben – schließlich fanden die syrischen Parlamentswahlen am 19. Juli 2020 statt. Es waren die dritten Wahlen, die auf der Grundlage des neuen Wahlrechts stattfanden, das nach den Protesten 2011 in Kraft getreten war. Die Wahlbeteiligung war mit 33 Prozent niedrig. Eine Besonderheit des syrischen Wahlrechts ist nach wie vor eine Quotenregelung, die Einteilung der Kandidaten in Kategorie „A“ (ihnen stehen 127 von 250 Sitzen zu) und Kategorie „B“ (123 Sitze). Zur Kategorie „A“ („Arbeiter und Bauern“) gehört, wer eine Gewerkschaftsmitgliedschaft vorweisen kann. Zur Kategorie „B“ gehören Parteilisten und alle anderen.
1.656 Kandidaten, darunter 200 Frauen, bewarben sich um 250 Sitze. In fünf Wahllokalen musste die Wahl wegen Unstimmigkeiten wiederholt werden. Und endgültig stehen die Gewinner noch nicht fest. Zunächst müssen die Einsprüche, die von einer Reihe von Kandidaten erhoben wurden, von der Wahlkommission bearbeitet werden.
Wahlen im Krieg? Fraglos konnte in Idlib in den Gebieten unter Kontrolle der Dschihadisten niemand wählen. In den Gebieten östlich des Euphrat war das Bild differenzierter. Wo die „Demokratischen Kräfte Syriens“ (SDF) die alleinige Kontrolle hatten, lehnten sie die Wahlen ab. Dagegen gab es Wahllokale in den Gebieten mit starker Präsenz der syrischen Regierung. 149 Wahllokale gab es in Hasaka und 67 in Raqqa – in beiden Fällen waren das, bezogen auf die Bevölkerung, sehr viel weniger als in anderen Teilen Syriens.
Es ist keine Überraschung, dass USA, EU und all ihre Verbündeten die Wahlen als Inszenierung und abgekartetes Spiel darstellen. So wenig, wie der Wahlsieg der Baath-Partei und ihrer Verbündeten eine Überraschung ist.
Es lohnt sich aber ein Vergleich mit vergangenen Wahlen. Zwischen 1973 und 2007 gewann die „Nationale Front“, ein Bündnis mehrerer Parteien, das von der Baath-Partei dominiert wurde, jeweils alle Parlamentssitze. 2012 dann ein Absturz: Die Nationale Front verlor 82 Sitze. Nicht zuletzt, weil sich die Baath-Partei nach den Protesten von 2011 in einer tiefen Krise befand.
Vier Jahre später gab es eine Erholung und 200 von 250 Sitzen für die Nationale Front. Und nun eine erneute Umorientierung: 73 Sitze für Kandidaten, die als unabhängige angetreten waren.
Wie viel Einfluss kann ein Parlament in einer Staatsordnung haben, die stark auf die Rolle und den Einfluss der Präsidentschaft ausgerichtet ist? Ist das syrische Parlament, wie Bente Scheller von der Heinrich-Böll-Stiftung meint, eines der machtlosesten Parlamente der Welt? Immerhin umfasst es durchaus einflussreiche und mächtige Abgeordnete wie Hussam Qaterji, einen der reichsten Unternehmer Syriens, oder auch mächtige Vertreter von Stammesorganisationen und weitere Unternehmer, die auf US-Sanktionslisten stehen.
So sind unterschiedliche Interessen präsent und die wichtigste Grenze, an die das Parlament stößt, kommt von außen: Es sind die Sanktionen der EU und der USA, die das wirtschaftliche Leben des Landes und die Ressourcen, über die das Parlament verfügen könnte, zerstören.
Ein Grund für die für syrische Verhältnisse niedrige Wahlbeteiligung war sicherlich Corona. Dazu kommt, dass viele Syrer offenbar das Parlament nicht als das Instrument sehen, das an ihrer wirtschaftlichen Not etwas ändern könnte – obwohl gerade das von vielen Bewerbern in das Zentrum ihres Wahlkampfs gestellt worden war.
Die Kontinuität der staatlichen Institutionen zu garantieren war ein Ziel der Wahlen. Das russische Außenministerium ergänzte, dies sei im Interesse aller Syrer.
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