Vernichtete Beweise nicht gefunden
Für Opfer und Experten war es keine neue Erkenntnis: Nach fünfeinhalb Jahre langen Ermittlungen hat die Bundesanwalt festgestellt, dass das Oktoberfestattentat von 1980 „rechtsextremistisch motiviert“ war. Nach dem Attentat hatten Ermittler wichtige Beweise vernichtet, um den größten Terroranschlag in der Bundesrepublik als unpolitische Einzeltat darzustellen. Nun hat die Bundesanwaltschaft ihre Ermittlungen eingestellt, die Regierung verspricht Entschädigung der Opfer.
Der Journalist Ulrich Chaussy recherchiert seit Jahrzehnten zum Attentat und seinen Hintergründen. Im Interview mit der „Taz“ schätzt er ein, dass die entscheidenden Fragen zum Attentat noch immer offen seien: Wer waren die Stichwortgeber und Hintermänner des Attentäters Gundolf Köhler? In erster Linie macht er dafür die früheren Ermittler verantwortlich – sie hatten sich darauf festgelegt, dass Köhler als unpolitischer Einzeltäter gehandelt habe, Vertuschung ermöglicht und Beweise vernichtet. „Das ist einfach nicht mehr reparabel“, sagt Chaussy. Auch der sozialdemokratische Münchener Oberbürgermeister Dieter Reiter hält die Einstellung der Ermittlung für die Folge der Fehler und Versäumnisse der früheren Ermittler, berichtete der BR. Eine der Betroffenen, Claudia Z., fasst zusammen: „Nach über 30 Jahren, in denen alle Beweismittel vernichtet wurden, wundert es nicht, dass man nichts herausgefunden hat.“ Das berichtete die Münchener Beratungsstelle für Opfer rassistischer Gewalt „Before“.
Trotzdem kritisiert Chaussy die neuen Ermittlungen. Unter anderem folgten sie der früheren Darstellung, dass eine in der Nähe des Tatorts gefundene abgetrennte Hand die Hand Gundolf Köhlers gewesen sei. Chaussy stellt dar, dass das nicht möglich sei. Diese Hand ist eines der Indizien, die dafür sprechen, dass Köhler einen Mittäter hatte. Sie wurde 1997 vernichtet, so dass diese Frage nicht durch eine DNA-Analyse geklärt werden konnte. Die Ermittler haben zwar den ehemaligen Polizisten, der die Hand gefunden hatte, als Zeugen vernommen, seien in der Vernehmung nach Chaussys Darstellung jedoch voreingenommen gewesen. Die neuen Ermittlungen haben versäumt, die frühere Vertuschung offenzulegen. „Für mich stellt sich immer noch die Frage: Wer hat da vertuscht und warum?“, sagt Chaussy und fordert einen Untersuchungsausschuss des Landtages oder des Bundestages.
Die Ermittlungen haben nun festgestellt, was lange bekannt war, aber offiziell geleugnet wurde: Das Oktoberfestattentat war ein faschistischer Terrorakt. „Gundolf Köhler wollte die Bundestagswahl 1980 beeinflussen. Er strebte einen Führerstaat nach Vorbild des Nationalsozialismus an“, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ einen Ermittler. Bei dieser Wahl, die wenige Tage nach dem Attentat stattfand, kandidierte Franz-Josef Strauß für die Union, Helmut Schmidt blieb jedoch Kanzler. Köhler hatte offenbar gehofft, dass die Öffentlichkeit linke Kräfte für das Attentat verantwortlich machen würde, so dass Strauß die Wahl gewinnen könnte – eine solche „Strategie der Spannung“ hatten faschistische Kräfte auch in anderen Ländern verfolgt.
Für die Opfer könnte die offizielle Anerkennung offensichtlicher Tatsachen bedeuten, dass sie Geld aus einem Fonds der Bundesregierung für Terroropfer erhalten. Hans Roauer, der den Anschlag überlebte, sagt: „Für die damalige Staatsregierung ist die Einordnung als rechtsextremer Anschlag eine schallende Ohrfeige, für uns ist es nur eine kleine Genugtuung nach so langer Zeit.“
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