Generalstreik und Blockadeaktionen
Der Dachverband der bolivianischen Gewerkschaften (Central Obrera Boliviana, COB), die indigene Organisation der „Roten Ponchos“, der „Einheitspakt“ (Pacto de Unidad) und weitere soziale Verbände haben am Montag mit einem unbefristeten Generalstreik und landesweiten Protestaktionen gegen eine erneute Verschiebung der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen begonnen. Wie örtliche Medien berichteten, wurden in weiten Teilen des Staatsgebiets seit Mitternacht Verbindungsstraßen und Brücken mit Baumstämmen, Steinen und angezündeten Autoreifen blockiert. Die Landarbeitergewerkschaft CSUTCB und der Anführer der Indigenen-Bewegung „Pachakuti“, Felipe Quispe, forderten die Bevölkerung auf, sich mit Lebensmitteln zu versorgen, da die Straßenblockaden in den nächsten Tagen ausgeweitet würden. Die Mobilisierung sei „kraftvoller und revolutionärer als bisherige Aktionen“, erklärte Quispe gegenüber dem bolivianischen Online-Magazin „La Época“.
Die Proteste sind eine Reaktion auf die Entscheidung das Obersten Wahlgerichts (TSE), den für den 6. September angekündigten und zuvor bereits mehrfach hinausgezögerten Wahltermin ein weiteres Mal zu verschieben. Die Demonstranten werfen dem Regime der selbsternannten „Interimspräsidentin“ Jeanine Áñez vor, die „Wiederherstellung des demokratischen Systems“ verhindern zu wollen, das mit dem Staatsstreich gegen Präsident Evo Morales abgeschafft worden sei. Während der von Áñez eingesetzte TSE-Präsident Salvador Romero behauptete, die Wahl müsse „wegen der Corona-Pandemie“ auf den 18. Oktober verlegt werden, vermuten Regimegegner, dass die Verschiebung vor allem den in Umfragen vorausgesagten Wahlsieg der früheren Regierungspartei „Bewegung zum Sozialismus“ (Movimiento al Socialismo, MAS) verhindern soll. „Das einzige Ziel ist die Verlängerung der De-facto-Regierung“, kritisierte der im Oktober 2019 gewählte und einen Monat später gestürzte linke Präsident Evo Morales. Das Volk habe bereits zwei Mal eine Verschiebung des Wahltermins hingenommen, erklärte MAS-Vorsitzender Morales, der den Wahlkampf seiner Partei aus dem argentinischen Exil koordiniert. Dem Hinweis auf die Covid-19-Pandemie entgegnen die Streikenden, dass in der Dominikanischen Republik am 5. Juli mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen Wahlen durchgeführt worden waren.
Am Montagabend (Ortszeit) hatte Morales per Twitter davor gewarnt, dass das Regime den Streik durch Verfolgung seiner Anführer unterdrücken wolle. Er wies darauf hin, dass COB-Generalsekretär Juan Carlos Huarachi und die Fraktionsvorsitzende der MAS im Parlament, Betty Yañiquez, wegen angeblicher „Verstöße gegen Gesundheitsauflagen“ angezeigt worden seien. Der „Präsidialminister“ im Áñez-Kabinett, Yerko Núnez, hatte kurz zuvor mehrere Strafverfahren gegen den Gewerkschaftsführer, die MAS-Politikerin und gegen Evo Morales eingeleitet. Dahinter stecke die klare Absicht, die von großen Teilen der Bevölkerung unterstützten Protestaktionen zu stoppen, erklärte der Ex-Präsident. COB-Generalsekretär Juan Carlos Huarachi gab sich kämpferisch. „Ich werde nicht in Ohnmacht fallen und mich nicht einschüchtern lassen“, kommentierte er die Drohungen. Der Generalstreik sei ungebrochen und werde fortgesetzt, versicherte der Gewerkschaftschef.
Unterdessen hat die von der MAS dominierte Plurinationale Gesetzgebende Versammlung, wie sich das Parlament des Landes nennt, die De-facto-Präsidentin Jeanine Áñez aufgefordert, zum 195. Jahrestag der Staatsgründung und Unabhängigkeit des Landes am 6. August eine Erklärung über die von der Regierung geplanten „Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit und Wirtschaft angesichts der Covid-19-Pandemie“ abzugeben. Fakt sei, dass das Áñez-Regime Bolivien in eine wirtschaftliche, politische und soziale Krise geführt habe und das Gesundheitssystem vor dem totalen Zusammenbruch stehe, begründete die MAS-Senatorin Adriana Salvatierra die Aufforderung.
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