Erneuter ÖPNV-Streik in Hessen
Auch nach dem Warnstreik der ÖPNV-Beschäftigten am vergangenen Dienstag ist die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) weiter nicht zu Verhandlungen über einen bundesweiten Tarifvertrag bereit. Im Tarifkonflikt im Nahverkehr geht es primär um die Arbeitsbedingungen. ver.di fordert bundesweit einheitliche Regelungen in Fragen wie Nachwuchsförderung, Entlastung sowie den Ausgleich von Überstunden und Zulagen für Schichtdienste.
„Auch die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs in Hessen steht auf dem Spiel“, sagte Fachbereichsleiter Mathias Venema. „Es ist unverantwortlich gegenüber den Beschäftigten, angesichts des drohenden Fachkräftemangels einheitliche Regelungen zur Entlastung für die Beschäftigten zu verweigern.“ Aber auch Fahrgäste könnten Vertrauen verlieren, denn Personalmangel und hohe Krankenstände führten immer häufiger zu Fahrtausfällen. „Wer immer wieder erlebt, dass er vergeblich an der Haltestelle steht oder der Anschluss nicht kommt, verliert das Vertrauen in den ÖPNV“, so Venema weiter.
Im Vergleich zum Jahr 2000 ist die Zahl der Beschäftigten um 18 Prozent geschrumpft, während die Anzahl der Fahrgäste im gleichen Zeitraum um ein Viertel zugenommen hat. Aufgrund der Belastungen kommt es zu überdurchschnittlich hohen Krankenständen und der Anhäufung von Überstunden. Die Situation droht sich weiter zu verschärfen, denn der Altersdurchschnitt in den Unternehmen beträgt 49 Jahre, somit geht bis 2030 jeder zweite Beschäftigte in den Ruhestand.
Gerade die Fahrer*innen sind durch Schichtdienste und die Abhängigkeit von den Fahrplänen besonderen Belastungen ausgesetzt. Ihre Schicht kann zu jeder Tages- und Nachtzeit beginnen und mit Unterbrechungen bis zu 14 Stunden dauern. Sie arbeiten in der Regel an über 35 Sonntagen im Jahr. Ein gesundheits- und familienverträglicher Rhythmus ist so nicht möglich. Besonders in Ballungsräumen verschärft sich die Belastung weiter: Hier führen der knapp bemessene Fahrplan, hohes Verkehrsaufkommen und steigende Fahrgastzahlen zum Verschwinden der Pausen. Oft bleibt nicht mal Zeit, um auf die Toilette zu gehen. Dennoch erhalten Fahrer*innen keinerlei Zulagen für den Schichtdienst.
Die VKA behauptet, nicht zuständig zu sein und hat auf Verhandlungen in den Ländern verwiesen, obwohl die VKA bereits 2013 mit ver.di einen Tarifvertrag zum demographischen Wandel im Nahverkehr geschlossen hat. In den Ländern laufen momentan Verhandlungen zu regional spezifischen Forderungen der Beschäftigten. Hier wurde zwar verhandelt, aber noch kein tragfähiges Angebot vorgelegt. „Für bundesweit einheitliche Arbeitsbedingungen in elementaren Fragen kommt nur die VKA als Spitzenverband in Betracht. Die anhaltende Verweigerung, in Verhandlungen einzutreten, zwingt uns zu weiteren Warnstreiks. Wir werden diese weiterhin frühzeitig ankündigen, damit Fahrgäste Alternativen finden können“, so Venema. „Die Beschäftigten haben gezeigt, dass sie bereit sind, in großer Zahl in den Warnstreik zu treten. Sofern Teile des ÖPNV zur Verfügung stehen, werden die Kapazitäten deutlich eingeschränkt sein. ver.di erwartet von den Unternehmen eine verantwortungsvolle Kommunikation über die zu erwartenden Kapazitäten, damit sich die Fahrgäste angesichts der Corona-Pandemie darauf einstellen können.“
Zum Streik am Dienstag, den 6.10 aufgerufen sind in Hessen:
Kassel: Bahnen und Busse
Wiesbaden: Busse
Frankfurt: U-Bahnen und Straßenbahnen
Der Warnstreik beginnt mit der jeweiligen Frühschicht und endet mit Spätschichtschluss.
ver.di fordert in dem Tarifkonflikt für bundesweit 87.000 Beschäftigte einheitliche Regelungen in Fragen wie Nachwuchsförderung, Entlastung sowie den Ausgleich von Überstunden und Zulagen für Schichtdienste. Darüber hinaus soll die Ungleichbehandlung in den Bundesländern beendet und zentrale Regelungen wie 30 Urlaubstage oder Sonderzahlungen künftig bundesweit vereinheitlicht werden. Mit einer Forderung für Auszubildende sollen Anreize zum Einstieg in den Beruf und zur Nachwuchsförderung geschaffen werden. Seit März fordert die Gewerkschaft hierzu die Verhandlung eines bundesweiten Rahmentarifvertrages. Die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hatte sich gegen die Aufnahme von Verhandlungen ausgesprochen.
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