„Falsches Signal an die Beschäftigten“
Mit der Bundesratsinitiative „Konjunkturprogramme durch Bürokratieabbau ergänzen“ (Ds 582/20) will die schwarz-gelbe Koalition des Landes Nordrhein-Westfalen unter dem Deckmantel der Corona-Krise die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abbauen.
Dazu sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann am Freitag vor dem Bundesratsplenum in Berlin:
„Der NRW-Landesregierung geht es mit ihrem Antrag offensichtlich gar nicht um eine sinnvolle Überprüfung möglicher bürokratischer Lasten. Stattdessen wird unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus und unter dem Deckmantel der Corona-Krise zu einem Rundumschlag gegen alle Rechte der Arbeitnehmer ausgeholt, die Arbeitgebern ein Dorn im Auge sein könnten. Das ist das falsche Signal an die Beschäftigten, die massiv von der Krise betroffen sind“, sagte Hoffmann. „In der Krise brauchen wir mehr Solidarität statt weniger“, so Hoffmann weiter.
Auf den Vorschlag, die Minijobgrenze auf 530 Euro zu erhöhen, entgegnete Hoffmann: „In der Corona-Krise wurde besonders deutlich, dass Minijobber auf dem Arbeitsmarkt nicht geschützt sind. Eine Erhöhung der Minijobgrenze zu verlangen ist verantwortungslos, denn es würde gut eine halbe Million heute noch regulär Beschäftigter in Minijobs drücken. Flexibilisierungswünsche der Arbeitgeber werden auf Kosten der Beschäftigten gelöst, denen oft eine reguläre Beschäftigung vorenthalten wird. Damit wird der Niedriglohnsektor erneut befeuert.“
Auch die Forderung, die Höchstdauer der sachgrundlosen Befristung von 2 auf 3 Jahre zu verlängern und die maximalen Verlängerungsoption von drei auf vier Mal zu erhöhen, lehnt der DGB entschieden ab. „Dieser Vorschlag ist ein dreister Versuch, das unternehmerische Risiko auf die Beschäftigten abzuwälzen“, so Hoffmann. „Für unzählige Beschäftigte, deren befristete Verträge während der Krise endeten, war nicht einmal die Kurzarbeit eine Stütze. Sie sind sofort in der Arbeitslosigkeit gelandet.“ Dies betreffe vor allem junge Beschäftigte unter 25 Jahren. „Wir dürfen nicht zulassen, dass jetzt eine perspektivlose Corona-Generation heranwächst, für die Unsicherheit und prekäre Verhältnisse die ‚neue Normalität‘ werden. Sachgrundlose Befristungen gehören vollkommen abgeschafft.“
„Die Erfassung von Arbeitszeiten ist mehr als nötig, das zeigen die jährlich rund 1 Milliarde unbezahlter Überstunden, die die Arbeitnehmer leisten. Diese Zahl ist seit Jahren auf einem unverändert hohen Niveau“, sagte Hoffmann. In vielen Betrieben gebe es bereits eine manipulationssichere Arbeitszeiterfassung. Dass sie die Arbeitnehmerrechte stärkt und in allen Betrieben umgesetzt werden muss, habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits vor mehr als einem Jahr bekräftigt. Die Wahl des Mittels müsse sich an Praxistauglichkeit und einer effektiven Verhinderung von möglichem Missbrauch durch den Arbeitgeber orientieren. „Das Gerede von der Stechuhr ist im digitalen 21. Jahrhundert nicht mehr als eine billige Ausrede“, sagte der DGB-Vorsitzende.
Deutlich kritisierte der Gewerkschafter den an den Bundesrat adressierten Auftrag, die an die Betriebsgröße angelehnten Schwellenwerte zu prüfen und so weit wie möglich zu vereinfachen. Dazu Hoffmann: „Das schafft mitnichten Rechtssicherheit oder weniger Bürokratie. Stattdessen wird so perspektivisch der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgeweicht.“
Mit Blick auf die kategorische Ablehnung einer Finanztransaktionssteuer oder die Wiedererhebung der Vermögensteuer sagte Hoffmann: „Die Corona-Krise hat doch deutlich gemacht, dass jeder Einzelne dazu beiträgt, dass wir in diesem Land in Wohlstand und Sicherheit leben können. Da ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, dass starke Schultern zum Überwinden der wirtschaftlichen Krise mehr beitragen. Mit Bürokratie hat das nichts zu tun, mit Solidarität hingegen schon.“
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