„nd.DieWoche“ zu Kita-Streiks und Eltern
Der Sozialdemokrat Ulrich Mägde hat kurz vor der dritten Tarifrunde im öffentlichen Dienst erklärt, was er von den jüngsten Warnstreiks hält: Sie seien nicht angemessen, weil andere Beschäftigte dadurch „abgestraft“ würden, etwa, weil die Kita bestreikt wird, so der Verhandlungsführer der Kommunen. Überhaupt seien das „Rituale der vergangenen Jahre“.
Mägde delegitimiert damit Arbeitskämpfe als nicht zeitgemäß, was Unternehmensvertreter gern tun. Von einem SPD-Politiker, dessen Partei als Teil der Arbeiterbewegung entstanden ist, könnte man anderes erwarten. Schließlich sind Ausstände das wichtigste Druckmittel der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften, um bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Ohne das Streikrecht wären Tarifverhandlungen nicht mehr als „kollektives Betteln“, formulierte das Bundesarbeitsgericht schon 1980.
Nun lässt sich einwenden, dass Mägde ja nur die jüngsten Warnstreiks kritisiert hat. Er verweist allerdings darauf, dass die Pandemie jahrelange finanzielle Folgen haben wird. Sind also auch in den nächsten Jahren Arbeitsniederlegungen unbotmäßig? Überdies ist sein Anti-Streik-Argument ein Dauerbrenner, unabhängig davon, ob gerade Krise ist: Wenn in Kitas oder bei der Bahn die Arbeit ruht, werden immer die Folgen für Pendler oder Eltern beklagt.
Wer das Streikrecht in Dienstleistungsbranchen stärken will, könnte überlegen, wie solche unerwünschten Nebenwirkungen abzumildern sind. Die Politik könnte etwa gesetzlich absichern, dass Eltern Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Kita-Streiks haben. Oder wie wäre es mit Kurzarbeitergeld für Mütter und Väter? Solche Leistungen waren mal üblich, wenn Beschäftigte eines Betriebs nach Hause geschickt wurden, weil woanders gestreikt wurde und beispielsweise die Zulieferung stockte. Die Politik hat diese Hilfen vor Jahren eingeschränkt. Sie kann das Streikrecht auch wieder absichern, indem sie „Fernwirkungen“ von Ausständen in der Industrie und im Dienstleistungssektor für Beschäftigte abmildert.
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