Kein Platz für rechte Umsturzfantasien in Leipzig
Leipzig 2020. In der Stadt Leipzig kann glücklicherweise ein geringerer Anstieg der Infektionszahlen verzeichnet werden als im Rest Sachsens. Das mag vor allem daran liegen, dass sich ein Großteil der Einwohner*innen bewusst und verantwortungsvoll an die Corona-Schutzmaßnahmen hält, um weitere Einschränkungen, Infektionen und Sterbefälle zu vermeiden.
Doch es gibt eine distanzlose Traube an Menschen, welche sich eben dieser Verantwortung nicht bewusst wird. Hinter den zu Worthülsen verkommenen Begriffen ‘LIEBE’, ‘FREIHEIT’, ‘FRIEDEN’ versammeln sie sich seit dem Beginn der Pandemie in der Innenstadt, tanzen in Kleinzschocher oder diskutieren in Telegram-Gruppen die nationale Revolution. Nicht selten finden sich in bekannten Chats rechte Umsturzfantasien, nicht selten sind Reichsflaggen im Zentrum der Leipziger Innenstadt zu sehen, nicht selten hören wir volksverhetzungsähnliche und antisemitische Inhalte.
Mitnichten ist der Großteil der Demonstrant*innen der Bewegung Leipzig dem rechtsorientierten Umfeld zuzuordnen. Die Bewegung Leipzig zieht ein durchwachsenes Publikum an – meist gut situiert, aber unzufrieden. Mittelständische Unternehmer*innen, Angestellte, Künstler*innen, zum Teil schon in Rente oder Pension, feiern sich und ihre Verdrossenheit über ihr Leben und die regierenden Parteien.
Mit einem Blick auf den 7. November können wir mit dem Zusammenschluss der Organisator*innen von Querdenken, der Bewegung Leipzig und rechtsradikalen Akteur*innen des gesamten Bundesgebietes ein komplettes Demokratie-Desaster erwarten. Heißt: Diese vormalig hippiesken Zustände reichen weder der Bewegung Leipzig, noch denen, die sie seit Monaten wohlwollend beobachten und werden sich am kommenden Samstag deutlich extremer ausnehmen. Die Bewegung Leipzig wird die Kontrolle über ihre Demonstrant*innen und deren Radikalität nicht halten können. Von Attila Hildmann und Ken Jebsen über QAnon-Anhänger*innen, Verschwörungsmystiker*innen, Trump-Fans, einschlägig bekannte AfD-Politiker*innen bis hin zu gewaltbereiten Neonazis haben alle Teile der angestrebten Querfront zum Aufmarsch aufgerufen.
In den Ankündigungen setzen sie auf eine “Vollendung der Revolution” und stellen dabei auf 1989 ab. Im Mobilisierungsvideo wird mit heldenhafter Klischee-Musik versucht, ein propagandistisches Epos zu stilisieren. Videos von den Montagsdemonstrationen 1989 werden mit Bildern von heute zusammengeschnitten. Neben einem Video von Ulbricht, wie er sein verlogenes Versprechen um den Mauerbau daherstammelt, steht der Satz “Niemand hat die Absicht eine Impfpflicht einzuführen”. In der nächsten Szene taucht eine blutende Maske der Kanzlerin mit dem Slogan “Angela, dein `89 ist da” auf.
Der 07.11. ist dabei ebenso wie die angemeldeten Versammlungsorte fast kongruent zu den Ereignissen der größten Montagsdemonstration in Leipzig am 6. November mit damals mindestens 300.000 Demonstrierenden. Das ist ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die damals in Leipzig aber auch anderen Städten der DDR auf die Straßen gegangen sind, um für die Freiheiten zu demonstrieren, welche diese Melange jetzt vollkommen unreflektiert nutzt. Besonders widersinnig mutet es an, wenn Bundesbürger*innen aus dem Westteil der Republik sich dieser historischen Motive bedienen.
Die zu erwartende Versammlungslage wird im Kern nichts mit den friedlichen Demonstrationen von 1989 zu tun haben. Weder mit den Intentionen noch mit den Akteur*innen und erst recht nicht mit den Inhalten. Statt Forderungen nach Demokratie und Freiheit kommen antisemitische Parolen. Statt überzeugender Fakten stehen krude Verschwörungserzählungen. Statt friedlicher Revolution wird sich sich der Umsturz gewünscht, also das Ende von Demokratie und Rechtsstaat – genau dem, wofür Menschen in der DDR auf der Straße waren.
Doch nicht nur dieses Schreckensszenario ist ein Grund, sich dem entgegenzusetzen. Unsolidarische Maskenverweiger*innen, Familien, denen die Gesundheit ihrer Angehörigen völlig egal ist (auch wenn sie es anders behaupten mögen) und sonstige Virenschleudern dürfen nicht einfach unwidersprochen die Innenstadt einer Großstadt wie Leipzig belagern. Wegen der politischen, aber auch der medizinischen Gefahr.
Man kann, darf und muss sich die Frage stellen, ab welchem Moment man sich positionieren sollte, ab wann man vorgehen sollte und ab wann man sich entgegensetzen sollte. Dieser Punkt ist erreicht.
Wir beziehen klar Position, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse geleugnet und stattdessen Verschwörungsmythen verbreitet werden. Wir beziehen Stellung gegen Antisemitismus, Hass und Diskriminierung. Wir sind solidarisch, halten Abstand und lassen keinen Menschen zurück!
Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, die womöglich größte Ansammlung von Demokratiefeindlichkeit 2020 zu verhindern. Leipzig nimmt Platz! An jeder Anreiseroute, auf jeder Strecke, auf jedem Platz werden wir etwas entgegensetzen: Uns.
Zentrale Protestkundgebung am 7. November ab 13 Uhr auf dem Augustusplatz. Wir rufen ausdrücklich zu kreativen Aktionen gegen die Farce eines Wendeprotestes und deren rechte Entourage auf. In Leipzig gibt es keinen Platz für rechte Umsturzfantasien!
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