Kontroverse im Handel
Die Entscheidung der Regierung, für die Zeit des Winterschlussverkaufs die verkaufsoffenen Sonntage vom 24. und 31. Januar und vom 7. und 14. Februar 2021 wegen der Gesundheitskrise abzusagen, hat – wie nicht anders zu erwarten war – zu unterschiedlichen Reaktionen geführt.
Die Patronatsvereinigung clc zeigt kein Verständnis für diese Maßnahme und behauptet, die Sonntagsöffnungen würden es ermöglichen, den Kundenstrom auf einen zusätzlichen Tag zu verteilen, was dazu beitrage, die Kundendichte zu verringern.
Diese Argumentation ist an den Haaren herbeigezogen und zielt eigentlich darauf ab, die Öffnungszeiten im Handel, unabhängig von der Gesundheitskrise, vollständig zu liberalisieren und die Geschäfte rund um die Uhr zu öffnen, abgesehen davon, dass es sich bei den Sonntagseinkäufen zum großen Teil um eine Art Freizeitgestaltung für viele Menschen handelt.
Sie sind Opfer der kapitalistischen Konsumgesellschaft, der sich die Patronatsvereinigungen verschrieben haben. Ihre Bedürfnisse sind inzwischen so stark deformiert, dass sie nichts mehr mit ihrer Freizeit anzufangen wissen. Sie treiben keinen Sport, besuchen weder ein Museum noch eine Ausstellung, lesen kein gutes Buch, bilden sich nicht weiter und nutzen das Wochenende auch nicht, um in der Natur zu sein. Selbst das Faulenzen haben sie verlernt. Oft reduziert ihre Freizeitgestaltung sich tatsächlich darauf, aus Langeweile durch die Geschäfte zu schlendern und unter dem Einfluß allgegenwärtiger Werbung Geld auszugeben für Sachen, die sie gar nicht brauchen.
Anders als die Patronatsvereinigung clc und ein Teil der Handfelskonzerne und Geschäftsinhaber, dürften die Verkäuferinnen und Verkäufer sich darüber freuen, dass es während mehreren Wochen keine verkaufsoffenen Sonntage geben wird, denn die zunehmend flexibilisierten Arbeitszeiten und die Sonntagsarbeit haben dazu geführt, dass die Beschäftigten aus dem Handel es immer schwerer haben, ihr Privatleben mit ihrer Arbeit unter einen Hut zu bekommen.
Es gibt genug Betriebe im Handel, in denen nicht allein die Teilzeitbeschäftigten ultra-flexibel sein müssen und sich freiwillig-gezwungen der Sonntagsarbeit und vollständig deregulierten Arbeitszeiten während der Woche unterwerfen und dennoch am Monatsende mit einem Hungerlohn nach Hause gehen. Denn einen Branchenkollektivvertrag für Geschäfte mit einer Belegschaft bis zu 50 Beschäftigten gibt es nicht.
Unter dem Vorwand, dass die Sonntage während des Winterschlussverkaufs genutzt werden müssten, um die Lager zu räumen und den Umsatzrückgang der vergangenen Monate in Grenzen zu halten, sollen wieder einmal die Beschäftigten bluten. Das kann und darf nicht sein!
Niemand bestreitet, dass es neben den Krisengewinnlern auch viele Verlierer im Handel gibt, und die Krise wird dazu führen, dass der kapitalistische Konzentrationsprozeß, der von den großen Handelskonzernen gewollt und von der Regierung bisher unterstützt wurde, sich verstärkt fortsetzen wird.
Die Kommunisten sind der Ansicht, dass diese Entwicklung umgekehrt werden kann, was allerdings gesellschaftliche Veränderungen voraussetzt, die bewirken, dass der Ellenbogengesellschaft und der Jagd nach Maximalprofiten ein Ende gesetzt wird.
Kurzfristig aber sollte der Staat den kleinen Handelsbetrieben und Geschäften verstärkt unter die Arme greifen, so dass Konkurse verhindert und Arbeitsplätze gesichert werden.
Ali Ruckert
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – Unser Leitartikel: <br/>Kontroverse im Handel