Verfassungsschutz mit politischem Auftrag
Ein Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs.
Was ist ein Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung? Eine Behörde mit kolportierten 400 Angestellten, die den Staat und seine Verfassung sowie die Bevölkerung vor Terrorismus aller Art schützen soll. Untergeordnet gibt es neun Landesämter mit denselben Aufgaben.
Vorgängerorganisation Staatspolizei
Nun ist die Aufgabe einer solchen Behörde im kapitalistischen Staat in erster Linie die Überwachung und Unterbindung revolutionärer Umtriebe, mögen sie auch noch so schwach sein. Die Vorgängerorganisation war die Staatspolizei. Diese wurde nach 1945 als Behörde mit antifaschistischem Auftrag gegründet, und es gehörten ihr nicht wenige Kommunisten und Sozialisten an, die sich im antifaschistischen Kampf auch mit der Waffe bewährt hatten. Nach der antikommunistischen Säuberung durch SPÖ-Innenminister Helmer Ende der 1940er-Jahre war die Staatspolizei immer darauf bedacht, alles Kommunistische und Fortschrittliche sorgfältig zu überwachen. So stand die damalige KPÖ-Zentrale am Höchstädtplatz jahrzehntelang unter permanenter und auffällig unauffälliger Überwachung, Lauschangriffe inklusive. In manche Vereine und Bewegungen schleuste man als Aktivisten getarnte Spitzel ein, die ab und zu auch aufflogen. Über Personen wurden penibel Akten geführt. Als das in den 1980er-Jahren publik wurde, durfte jede/r ihre oder seine Akten anfordern. Da bekam man dann eine tabellarische Auflistung angeblicher Aktivitäten, bei denen man beteiligt war. Von manchen Agenten war bekannt, dass sie heftig dem Alkohol zusprachen und da kam es in ihren Berichten wohl des Öfteren auch zu Fehlern und Verwechslungen. So wurde mir beispielsweise mit Datum und Uhrzeit die Beteiligung an einer Aktion in Jenbach in Tirol angedichtet, obwohl ich dort überhaupt noch nie war.
Am rechten Auge immer schon blind
Weniger Aufwand wurde für die Observation der realen Verfassungsfeinde, der Neonazis, aufgewendet. So ist es nur logisch, dass die entscheidenden Beweise für nationalsozialistische Wiederbetätigung im Falle des Verbots von ANR (Aktion Neue Rechte) und NDP (Nationaldemokratische Partei) nicht von den Staatsschützern kamen, sondern von der antifaschistischen Bewegung und ihren exzellenten Anwälten.
Nachdem also unter SPÖ-Innenministern diese Behörde schon am rechten Auge blind war und viel Eifer in die Bespitzelung alles Progressiven steckte, setzte sich das in den letzten 20 Jahren unter ÖVP-Innenministern fort, das Intermezzo von Herbert Kickl als Innenminister ist da das Tüpfelchen auf dem I, ließ er doch bei der Razzia im BVT vor allem jene leitende Beamtin und deren Unterlagen filzen, die für die Überwachung der Neonazis zuständig ist. Bei den niederösterreichischen ÖVP-Innenministern Mikl-Leitner und Sobotka soll es in der Behörde zu einigen Stellenbesetzungen gekommen sein, wo zwar das Parteibuch, nicht aber die Qualifikation ausschlaggebend war. Inzwischen scheint im BVT ein solches Tohuwabohu zu herrschen, dass man es weder für nötig hält, einen jungen Möchtegern-Dschihaisten zu überwachen, der Munition für eine Maschinenpistole kaufen will, noch scheint man die Neonazi-Szene wirklich zu kennen. Diese rüstet auf, und zwar nicht nur mit Propagandamitteln, sondern mit Waffen, die ab und zu mehr oder weniger zufällig entdeckt werden. Eigenartige Vorgänge und Korruptionsfälle sind in der Geheimdienstbranche auch nichts Neues, auch wenn nicht alle Tage ehemalige leitende Mitarbeiter in U‑Haft genommen werden, wie es derzeit passiert.
Akribische Überwachung der Linken
Natürlich kann auch heute davon ausgegangen werden, dass linke Bewegungen und Parteien akribisch bei ihren Aktivitäten überwacht werden. Bei Demonstrationen fahren regelmäßig Polizeibusse mit am Dach montierter Kamera mit und sammeln Aufnahmen, die sich mit Gesichtserkennungssoftware leicht auswerten lassen. So können wir sicher sein, dass über Viele von uns auch heute Akten existieren. Nachdem wir uns in keiner revolutionären Situation befinden, ist das relativ egal, und die jährlichen Berichte des BVT was die Linke betrifft recht nichtssagend. Dass aber besonders in migrantischen Vereinen auch gerne Leute speziell observiert, aufgrund ausländischer Interventionen verfolgt und manchmal sogar abgeschoben bzw. ausgeliefert werden, ist kein Spiel, sondern bitterer Ernst. So gesehen wäre eine Linke und vor allem eine revolutionäre Bewegung naiv, wenn sie glaubt, der Staat würde diese Stümperhaftigkeit im BVT weiter laufen lassen. Der aktuelle Innenminister Karl Nehammer wird schon im Interesse der Funktionsfähigkeit der Behörde aufräumen, und da werden wohl auch einige Parteigänger versetzt werden, ohne viel Wind darum zu machen. BVT und der militärische Inlandsgeheimdienst HAA (Heeresabwehramt) haben einen verfassungsmäßigen Auftrag, sie haben aber auch einen politischen Auftrag, und der lautet vor allem, den kapitalistischen Staat, den Staat der Banken und Konzerne, wie er heute existiert, vor Umstürzen zu schützen. Dass diese derzeit kein Thema sind, ändert nichts an diesem Auftrag.
Quelle: Zeitung der Arbeit – Verfassungsschutz mit politischem Auftrag