Abschiebungen nach Somalia: Tabubruch in Hessen
Hessen soll einen sofortigen dreimonatigen Abschiebestopp nach Somalia verhängen. Dies kann jedes Bundesland ohne Beteiligung des Bundes selbst entscheiden. Darüber hinaus soll sich der Hessische Innenminister bei der kommenden Innenminister*innen-Konferenz im Juni dafür einsetzen, dass ein solcher Abschiebestopp auch bundesweit beschlossen wird. Das fordern der Paritätische Wohlfahrtsverband Hessen, die Diakonie Hessen, der Hessische Flüchtlingsrat und PRO ASYL in einem gemeinsamen Offenen Brief an den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, den Stellvertretenden Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir, den Innenminister Peter Beuth und die Vorsitzenden der Regierungsfraktionen Ines Claus und Mathias Wagner.
Anlass des Schreibens ist die Abschiebung von Omar F. aus Hessen ins von Bürgerkrieg und Terror zerrüttete Somalia, der für die unterzeichnenden Organisationen ein Tabubruch ist. Omar F. lebte schon fast acht Jahre in Deutschland, verdiente seinen Lebensunterhalt als Maschinenführer bei einem Recyclingbetrieb und hätte schon in wenigen Monaten die Voraussetzungen für verschiedene Bleiberechtsregelungen erfüllt, wie sie der Bundesgesetzgeber ausdrücklich vorsieht, um gute Integrationsleistungen zu honorieren und vor allem auch Geduldete in Arbeit vor einer Abschiebung zu schützen. Anstatt ihm diese gesetzlich vorgesehene Perspektive zu bieten, hat Hessen Omar F. Mitte Februar zwangsweise in ein Land zurückgeführt, das auf dem Index der weltweit fragilsten Staaten auf Platz zwei steht. Das zivilgesellschaftliche Bündnis appelliert an die Verantwortlichen, diese Entscheidung zu revidieren und Omar F. eine Wiedereinreise zu ermöglichen, die nicht zuletzt auch im Sinne seines Arbeitgebers wäre.
Abschiebungen nach Somalia waren bis 2018 faktisch ausgesetzt und auch in den Folgejahren wurden ausschließlich als Straftäter und Gefährder kategorisierte Männer abgeschoben. „Jetzt wurde in Hessen eine rote Linie überschritten, indem mit Omar F. ein Mensch abgeschoben wurde, der nicht nur keine Straftaten verübt hat, sondern bestens integriert war“, heißt es in dem Offenen Brief. „Dies verunsichert die gesamte somalische Community zutiefst, die bundespolitisch gerade noch das Signal erhalten hatte, zu den Gruppen mit einer sogenannten guten Bleibeperspektive zu gehören. Es ist höchste Zeit, dieser Verängstigung entgegenzuwirken und die Situation in Somalia anzuerkennen.“
Quelle: Pro Asyl – Abschiebungen nach Somalia: Zivilgesellschaftliches Bündnis kritisiert Tabubruch in Hessen