5. November 2024

Die Prioritäten der US-Regierung und die Beziehungen zu Kuba

Bezogen auf die nationale Sicherheitsstrategie gab Präsident Joe Biden die Vorläufige Strategische Ausrichtung bekannt, in der er seine Ziele darlegt. Unmittelbar vorher erschien sein Artikel in der Zeitschrift Foreign Affairs, in dem er ankündigte, Maßnahmen zu ergreifen, damit die Vereinigten Staaten wieder die Führung in der Welt übernehmen.

Im gleichen Ton erklärte Außenminister Antony Blinken in seiner Antrittsrede, dass die Welt nicht in der Lage sei, sich selbst zu organisieren, und dass, wenn sich die USA von irgendwo zurückzögen, ein anderes Land versuche, diese Stelle zu besetzen, und zwar nicht, um die Interessen der USA zu fördern. Er argumentierte auch, dass zu keinem anderen Zeitpunkt seiner Karriere wie gegenwärtig die Unterscheidungen zwischen der Innen- und der Außenpolitik der USA aufgrund der Erneuerung und Stärke der USA verschwunden seien.

Ohne die Gültigkeit und Machbarkeit der obigen Behauptungen auch nur zu hinterfragen, wird der Leser zustimmen, dass solche Ideen wenig Neues in sich tragen und mit dem alten und lange propagierten „amerikanischen“ Mythos übereinstimmen, der die USA als Verfechter der Chancengleichheit und der Ausnahmestellung eines Volkes darstellt, das, von Gott auserwählt, vom Schöpfer als „manifestiertes Schicksal“ die Gabe erhielt, die Welt zu beherrschen, um sie nach seinem Bild und Gleichnis zu gestalten.

Aber es stellt sich heraus, dass die Welt, die die USA mit ihrer Innen- und Außenpolitik und ihren Prioritäten vorhaben zu führen, eine Welt der Krise des neoliberalen Post-Globalisierungs-Kapitalismus ist, dessen offensichtlichste Manifestation seine systemische Krise und sein beschleunigter Niedergang ist.

Es ist die Welt, in der die Marktfundamentalisten lebten (manche leben noch immer), überzeugt von der Selbstregulierung durch die Schumpetersche „schöpferische Zerstörung“ und die „neue Geldtheorie“. Sie unterschätzten den Schaden, den ihre Politik der Wirtschaft zufügte, deren Defizite, von denen sie annahmen, dass sie durch „quantitative Lockerung“ durch die Emission von Geld und Schulden gedeckt werden könnten, so hoch sind, dass sie ein Vielfaches des Bruttoglobalprodukts betragen, mit vorhersehbar katastrophalen Endergebnissen. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, und nur für den Fall der USA, reicht es aus, darauf hinzuweisen, dass die Bundesverschuldung 28,07 Billionen Dollar beträgt, während das Bruttoinlandsprodukt 21,6 Billionen beträgt; gleichzeitig erreicht die Gesamtverschuldung (einschließlich Hypotheken, Studentenkrediten, Kreditkarten…) 82 Billionen 699 Milliarden, Zahlen, die jede Sekunde steigen.

Und wenn wir schon von Prioritäten sprechen: Die erste hätte damit zu tun haben müssen, auf irgendeine Weise die tiefe Spaltung und Polarisierung in den USA zwischen Demokraten und Republikanern, Globalisten und Nationalisten, weißen angelsächsischen Supremacisten und Protestanten und „Schwarzen, Gelben und Braunen“ aufzulösen, auch zwischen alten und neuen und nicht so neuen Einwanderern, mit ihrem strukturellen Rassismus, abgrundtiefen Ungleichheiten, dem Leugnen wissenschaftlicher Erkenntnisse und grassierender Fehlinformation.

Die Prioritäten der neuen Regierung liegen darin, die Pandemie und ihre Übertragung zu stoppen, wobei, obwohl wir alle wissen, dass dies ohne globale Zusammenarbeit unmöglich ist, die USA auf egoistischer lokaler Kontrolle beharren.

Eine weitere Priorität ist es, den wirtschaftlichen Rückgang des Landes umzukehren. Dies sollte mit einer Steuerreform beginnen, die die Steuersenkungen beseitigt, die „die Reichen noch reicher gemacht haben“, die von früheren Regierungen (Demokraten und Republikanern) vorgenommen wurden, und mit der Umsetzung einer Politik – fiskalisch und geldpolitisch -, die es ihnen gleichzeitig ermöglicht, über die Billionen von Dollar zu verfügen, die zur Finanzierung des Kampfes gegen die Pandemie erforderlich sind, für die Erholung nach der Pandemie und für das Gesundheitssystem, auch im Zusammenhang mit der Pandemie und der realen Wirtschaft (was viel mehr bedeutet als das Wachstum der Aktienmärkte), was auch die Modernisierung der mehr als heruntergekommenen Infrastruktur, den Kampf gegen die globale Erwärmung und die Verbesserung der Bildung, die während ihrer Kampagne versprochen wurde, beinhalten würde.

Natürlicherweise immer die „Außergewöhnlichkeit“ vorausgesetzt und Blinkens Rede folgend, würde das oben Genannte jedoch nur erreicht werden, wenn man „sicherstellt, dass die Weltwirtschaft langfristig Sicherheit und Chancen für so viele Amerikaner wie möglich bietet“, mit „angemessenen politischen Maßnahmen“ wie „dem Hilfspaket, das der Präsident vorantreibt“ und indem man „die Weltwirtschaft in einer Weise steuert, die tatsächlich dem amerikanischen Volk zugute kommt“ (die Anführungszeichen verdeutlichen die Rolle der USA nach Blinken).

Da für Blinken die von den Befürwortern des Freihandels gezogenen Lehren „die Weltwirtschaft so formen würden, wie wir es wollten“, sollten die von den USA unterzeichneten Handelsabkommen (übrigens etwas, das bereits Trump Mexiko und Kanada auferlegt hatte) auf der Grundlage des Liberalismus und der klassischen Theorie des internationalen Handels dahingehend revidiert werden, dass alle von ihnen profitieren würden. Nur ist auch klar, dass die USA für die Revision der Abkommen zu ihrer Zufriedenheit auf die Unterzeichner, einschließlich China, zählen müssten.

All dies wird die neue Regierung tun müssen, indem sie gleichzeitig die Kaufkraft der Löhne und Gehälter der Arbeiter wiederherstellt, die nach allen Berechnungen, und um sie denen der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts anzugleichen, mehr als das Doppelte des Vorschlags des Präsidenten während seiner Kampagne betragen müssten. Und das, ohne dass die riesige Herausgabe von Fiat-Dollars, die notwendig ist, um all das zu finanzieren, die Währung weiter abwertet, die auch heute noch die am meisten verwendete Währung ist, denn dadurch würden die USA das Privileg verlieren, dass der Rest der Welt ihre Wirtschaft finanziert, ein Vorteil, den sie in der gegenwärtigen Weltordnung (oder Unordnung?) genießt.

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Zu den außenpolitischen Prioritäten gehört zweifelsohne das, was die USA als ihren „Hinterhof“ betrachten. In der Erklärung des Chefadmirals des US-Südkommandos vom 16. März 2021 „warnt“ er vor der Notwendigkeit, dem Einfluss ausländischer Nationen wie China, Russland und Iran entgegenzuwirken…, und auch vor Kuba wegen „seines zersetzenden Einflusses, der autokratische Regime in der Hemisphäre inspiriert“ (Sic), in dem, was er „unsere Nachbarschaft“ nennt.

Zu den „Prioritäten“ gehören auch die „Erneuerung der Demokratie“, die durch den Aufstieg von Autoritarismus und Nationalismus bedroht ist (worin, wie wir gesehen haben, auch Kuba einbezogen wird); die Einrichtung eines Migrationssystems (das sicherlich selektiv sein und den Diebstahl von Gehirnen garantieren wird); die Revitalisierung des Bündnissystems, die Neuerfindung der vor Jahren geschaffenen Partnerschaften, damit diese sich an die Herausforderungen von heute und morgen anpassen (in dem, was Blinken als aufgeklärtes Eigeninteresse bezeichnet); die Klimakrise, die Förderung der grünen Energiewende und die Gewährleistung der Führungsrolle in der globalen technologischen Revolution, die derzeit im Gange ist und heute unerreichbar scheint.

Und da wir von Prioritäten sprechen, ist eine abschließende Betrachtung erforderlich. Unbedeutende Journalisten – und noch miesere Politiker – weiden sich in den USA daran, wenn sie sich darauf beziehen, dass Kuba keine Priorität hat und es deshalb in der aktuellen Administration kein Interesse daran gebe, die von Trump, seinen Förderern und Kriechern unterbrochenen Beziehungen wieder aufzunehmen. Natürlich ist es schwierig zu wissen, was die US-Politiker denken, aber was wir wissen, ist, dass wir würdigen Kubaner – und das schließt die große Mehrheit derer ein, die in den USA und dem Rest der Welt leben – uns von den Lehren Martís leiten lassen: „Der beste Weg, sich nutzbar zu machen, ist, sich respektiert zu machen. Kuba geht nicht als Bettler durch die Welt: Es geht als Bruder und handelt mit der Autorität eines Bruders. Indem es sich selbst rettet, rettet es“.

Auch wenn wir nicht wissen, ob wir für die USA eine Priorität sind oder nicht, wissen wir immerhin, wie sie unsere Unabhängigkeit von Spanien verhinderten, wie zahlreich die militärischen Interventionen waren, wie wir einen Teil unseres Territoriums verloren … Gerade wegen all dem und mehr, und abgesehen von der Geschichte der konfliktreichen Beziehungen, die sie während unserer gemeinsamen Geschichte gefördert haben – und in denen wir Kubaner spartanische Überzeugung bewiesen haben -, ist es auch unser Bestreben, Beziehungen mit der Welt und mit den Vereinigten Staaten zu haben, die respektvoll, zivilisiert und für beide Seiten vorteilhaft sind.

Deshalb interessiert es uns Kubaner, und wir vertrauen darauf, dass wir in den Beziehungen, die wir früher oder später mit den Vereinigten Staaten unterhalten werden, in der Lage sein werden, das Beste von einander zu lernen. Bezüglich der Menschenrechte, insbesondere beim Vergleich der zu lösenden Probleme bei der Rassendiskriminierung; bezüglich der Rechte der Frauen, wie Abtreibung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer; auch bezüglich des proportionellen Anteils jedes Menschen an der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung und in jedem Beruf oder Gewerbe, einschließlich der Hochschulabsolventen und Wissenschaftler; bezüglich der Rechte der Kinder, der Qualität von Bildung und Gesundheit, deren Kosten und dem Zugang dazu … hier und dort.

Unsere Widerstandsfähigkeit, unser Prestige, unsere auf Respekt basierende Beziehung zur Welt, der Niedergang des Imperiums und unsere Fähigkeit, Wissenschaft und äußerst wettbewerbsfähige touristische und medizinische Dienstleistungen zu produzieren, könnten sicherlich und zu einem sehr frühen Zeitpunkt den „amerikanischen“ Markt für Kuba entbehrlich machen, trotz seiner Nähe und der immensen Möglichkeiten für beide. Doch auch dies wird nicht unsere Entscheidung sein.

Quelle: Granma – Die Prioritäten der US-Regierung und die Beziehungen zu Kuba

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