Die Mördertruppe zieht weiter
US-Präsident Joe Biden hat den Abzug seiner Truppen aus Afghanistan verkündet. Das Gleiche hatten auch schon seine Vorgänger Barack Obama und Donald Trump getan. Bislang hatten es die Kriegsfalken im Pentagon und im Senat verhindert. Offenbar soll Biden einen politischen Erfolg einfahren können. Wir werden es wissen, wenn sich die Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001, die US-Generalermächtigung, weltweit Krieg zu führen, zum 20. Mal jähren. Seither hat die US-Kriegsmaschine eine breite Blutspur durch Nordafrika, den Nahen und Mittleren Osten gezogen und millionenfaches Leid, Tod und Zerstörung gebracht.
Die US-Zerstörung Afghanistans begann allerdings nicht vor 20, sondern vor mehr als 40 Jahren. 1978 hatte die Saur-Revolution sozialistisch orientierte Kräfte um die Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) an die Macht gebracht. Die Revolution hatte dem bitterarmen, noch feudal strukturierten Land elementare Reformen gebracht wie eine Landreform, Schuldenstreichungen, Nationalisierung der Industrie und der Wasserversorgung; hatte unter anderem für Gleichberechtigung, bezahlten Schwangerschaftsurlaub, Schulen für Frauen und Mindestlöhne gesorgt.
So etwas kam für Washington natürlich nicht in Frage. Die CIA organisierte mit israelischer und saudi-arabischer Unterstützung die Konterrevolution. Die Vorkämpfer des feudalen Mittelalters – erst die Taliban, dann Al Kaida und IS – wurden zu Freiheitskämpfern erklärt und mit modernster Kriegstechnik ausgerüstet. Deren Aufbau hatte im April 1979 begonnen, längst bevor die sowjetische Armee im Dezember 1979 den afghanischen Revolutionären zu Hilfe kam. Die sowjetische Hilfe wurde 1988 von Gorbatschow kassiert – eines seiner Kapitulationsangebote an den Westen. Das fundamentalistische Mittelalter breitete sich von Marokko bis Indonesien aus. Es hat sich als Allzweckwaffe in zahlreichen verdeckten US-Kriegen gut bewährt.
Auch als die USA am 7. Oktober, keinen Monat nach „9/11“, nun auch direkt militärisch intervenierten, ging es nicht darum, das Mittelalter zu besiegen und dem Land eine Perspektive zu verschaffen. Um Aufbau ging es in all den zerstörerischen US-Kriegen seit 1945 nie. „Nation building“ ist etwas für die neokonservativen Märchenbücher. Der Afghanistankrieg sollte das Land, sollte Zentralasien zum Aufmarschgebiet, zuerst gegen die UdSSR/Russland und Iran, später auch gegen China und die „Belt-and-Road“-Initiative machen. Auch 2021 geht dieser Krieg nicht zu Ende. Er zieht nur um. In die Ukraine, an den Persischen Golf oder in das Südchinesische Meer. Die US-Söldner bleiben. Ebenso die Drohnen, die Air Force und die umliegenden Stützpunkte. 2 Billionen US-Dollar wurden ausgegeben, Hunderttausende sind gestorben, Millionen sind auf der Flucht, Afghanistan liegt in Trümmern. Die Opiumproduktion feiert Produktionsrekorde.
Das Berliner Polit-Personal von Peter Struck bis Annegret Kramp-Karrenbauer sieht keinen Grund für eine Manöverkritik: Deutschland wurde erfolgreich am Hindukusch verteidigt. Darum geht es auch im Südchinesischen Meer, am Horn von Afrika oder in Mali. Wir sind dabei, wenn geschossen und gestorben wird. Ist nicht der Tod ein Meister aus Deutschland?
Quelle: UZ – Unsere Zeit – Die Mördertruppe zieht weiter