Die ÖVP auf dem Weg nach ganz rechts
Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs
Das alte Sprichwort „Ist der gute Ruf ruiniert, lebt sich’s frei und ungeniert“ dürfte in der ÖVP gerade sehr beliebt sein. Nachdem die Liste aktueller und ehemaliger ÖVP-Spitzenpolitiker, gegen die von Staatsanwälten strafrechtlich ermittelt wird, immer länger wird, und die Kanzlerpartei in der Bevölkerung immer mehr an Zustimmung verliert, scheut sie auch nicht davor zurück, Argumentationslinien der rechtsextremen Identitären zu übernehmen, wenn sie damit nur von ihren Skandalen ablenken kann.
Auf den Vorschlag der SPÖ, einige Erleichterungen bei der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft einzubauen, reagiert die ÖVP beschämend für eine angeblich „christlich-soziale“ Regierungspartei. Klubobmann August Wöginger lässt alle Hüllen fallen, und fantasiert allen Ernstes, SPÖ und Grüne wollten mit „Masseneinbürgerungen“ („Bevölkerungsaustausch“ oder „Umvolkung“ heißt das in Neonazi-Kreisen) neue Parlamentsmehrheiten schaffen, und damit quasi einen „linken“ Putsch vorbereiten. Bundeskanzler Sebastian Kurz spricht von einer „Entwertung der österreichischen Staatsbürgerschaft“ und die Ministerin für rechte Agitation und Propaganda, die ehemalige Richterin Karoline Edtstadler operiert in der ORF-ZIB‑2 konsequent mit nachweislich falschen Zahlen. Sie spricht, wie vor ihr schon andere ÖVP-Granden, von 500.000 Menschen, die damit mit einem Schlag die Staatsbürgerschaft erlangen könnten. Eine dreiste Lüge, denn die 500.000 sind die Zahl aller in Österreich lebenden Ausländerinnen und Ausländer, wovon der größte Teil EU-Bürger sind, die vom SPÖ-Vorschlag nicht betroffen wären. Experten sprechen von 90.000 Menschen, die das betreffen könnte, wenn sie denn alle Kriterien erfüllen und überhaupt österreichische Staatsbürger werden wollen.
Die ÖVP wird sich täuschen. Denn Kurz ist in den Augen jener Wählerinnen und Wähler, bei denen diese Hetze ankommt, unten durch. Der Held in diesen Kreisen ist Herbert Kickl. Der beherrscht die rechte Hetze besser, authentischer, und kann warten, bis die ÖVP sich im Strudel ihrer Chat-Skandale zerlegt hat. So gesehen ist der hemmungs- und charakterlose Marsch der ÖVP nach rechts die beste Hilfe für den Wiederaufstieg der FPÖ. Die ÖVP darf dann den Juniorpartner in einer Koalition der Schande geben, wenn diese Rechtsentwicklung nicht aufgehalten wird. In der ÖVP – auch das ist bezeichnend für ihren Zustand – widersprach bisher niemand dieser Verrohung. Christlich oder sozial ist an dieser eiskalten türkisen Partie und Partei gar nichts mehr.
Quelle: Zeitung der Arbeit – Die ÖVP auf dem Weg nach ganz rechts