Beamtengehorsam
Am Montag staunte Simon Becker, Direktkandidat der DKP in Trier, nicht schlecht, als er in seine E-Mails schaute. Hans-Jürgen Haas von der Kreisverwaltung Trier-Saarburg übersandte ihm „zur gefälligen Kenntnisnahme“ einen Brief mit folgendem Inhalt: „Wie aus einer heute vom Landeswahlleiter Rheinland-Pfalz übermittelten Pressemitteilung des Bundeswahlleiters zu ersehen ist, wurde die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) vom Bundeswahlausschuss für die Bundestagswahl am 26.09.2021 nicht als Partei anerkennt (Fehler im Original, Anmerkung der Redaktion) (§ 18 Abs. 4 Nr. 2 Bundeswahlgesetz).
Nach Rücksprache mit dem Büro des Landeswahlleiters können die von Ihnen bereits vorgelegten Unterstützungsunterschriften nicht als gültig anerkannt werden, da die Unterstützer mit ihrer Unterschrift die Deutsche Kommunistische Partei unterstützt haben.“
Dass sich in der einen oder anderen Gemeinde und dem ein oder anderen Amt Antikommunisten ob der seltsamen Rechtsauffassung des Bundeswahlleiters Georg Thiel die Hände reiben, ist nicht weiter verwunderlich. Was Menschen wie Simon Becker aber zum Staunen bringt, ist die offensichtliche Unkenntnis der bestehenden Rechtslage in den Behörden. Denn entweder sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden sich völlig im Unklaren über das rechtliche Prozedere, oder sie missachten es grob fahrlässig und setzen darauf, dass die DKP und ihre Mitglieder ihre Rechte nicht kennen.
Fakt ist, dass die DKP, wenn sie fristgerecht Beschwerde beim Verfassungsgericht einreicht „von den Wahlorganen bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, längstens bis zum Ablauf des 59. Tages vor der Wahl wie eine wahlvorschlagsberechtigte Partei zu behandeln“ ist. Die DKP hat die Beschwerde eingereicht. Das bedeutet, dass alle Wahlvorschläge von den Behörden normal angenommen, behandelt und geprüft werden müssen – also auch als gültig anerkannt, wenn alle Angaben auf den Formularen stimmen.
Das muss auch Hans-Jürgen Haas und dem Landeswahlleiter Marcel Hüter klar gewesen sein. Denn auf den Einspruch Simon Beckers reagierten sie bereits am nächsten morgen: „Es ist uns bekannt, dass die DKP bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Beschwerde der Nichtzulassung, längstens bis zum Ablauf des 59. Tages vor der Wahl, wie eine wahlvorschlagsberechtigte Partei zu behandeln ist. Am 58. Tag vor der Wahl, Freitag, den 30.07.2021, entscheidet der Kreiswahlausschuss über die Zulassung der eingereichten Kreiswahlvorschläge für den Wahlkreis 203 – Trier. Die vollständigen Kreiswahlvorschläge müssen bis zum 19.07.2021, 18.00 Uhr, beim Kreiswahlleiter vorliegen. Sollte der Beschwerde der DKP durch das Bundesverfassungsgericht stattgegeben werden, kann der vorliegende Kreiswahlvorschlag der DKP, den wir bereits vorgeprüft haben, zugelassen werden.“ Simon Becker kann also weiterhin als Direktkandidat für die DKP antreten.
Ähnlich skurril verhielt sich bereits am vergangenen Freitag die Abteilung 4/1 – Straße und Verkehr der Stadt Siegen. In einem Schreiben an die örtliche DKP-Gruppe hieß es: „Wie mir heute bekannt wurde, wurde die DKP vom Bundeswahlleiter nicht zur Bundestagswahl 2021 zugelassen. Daher widerrufe ich mit sofortiger Wirkung die Ihnen erteilte Sondernutzungserlaubnis vom 08.07.2021 für Plakatwerbung in der Stadt Siegen anlässlich der Bundestagswahl 2021. … Sollte dennoch Ihrerseits plakatiert werden, werden diese Plakate durch den Bauhof der Stadt Siegen entfernt. Die Entfernung würde Ihnen in Rechnung gestellt.“
In Willich meint man bei der Genehmigung der „Anbringung von Wahlsichtwerbung“ berücksichtigen zu müssen, dass „in den Medien mitgeteilt wurde, dass der Partei DKP ihr Parteistatus entzogen wurde. Eine Rücksprache mit dem Kreis Viersen als Funktion des Wahlleiters hat dies bestätigt. Daher werde ich Ihnen zunächst keine Genehmigung für das Anbringen von Wahlsichtwerbung im Stadtgebiet Willich erteilen. Sofern der Partei DKP in einem Rechtverfahren (Fehler im Original, Anmerkung der Redaktion) der Parteistatus wieder zuerkannt wird, bitte ich um eine kurze Rückmeldung, so dass Ihrer Partei ggf. noch kurzfristig eine Genehmigung erteilt werden kann.“
Auch hier scheint das geltende Recht in den Amtsstuben nicht mehr zu zählen. Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht es der DKP selbstverständlich zu, Plakatwerbung zur Bundestagswahl zu machen.
Die DKP wird sich weder von der Rechtsauffassung des Bundeswahlleiters noch von der einzelner Verwaltungsangestellter davon abhalten lassen, Wahlkampf zu machen.
Quelle: UZ – Unsere Zeit – Beamtengehorsam