Aus Wut wird Streik
Am Montag gab ver.di in Berlin auf einer Pressekonferenz das Ergebnis der Urabstimmung über den unbefristeten Streik in den landeseigenen Kliniken bekannt. Wir können nicht mehr anders, man hört uns nicht anders, erklärte dort die Kollegin Jennifer Lange von der „Vivantes Speiseversorgung und Logistik“. Überleben mit 2.000 Euro brutto in Berlin? Da scheitert auch schon mal ein Mietvertrag: „Suchen Sie sich erst einmal eine besser bezahlte Arbeit.“ Heike Groß schilderte eine Schicht auf einer Station eines Vivantes-Krankenhauses, nach der sie kündigen wollte: „Es gibt keinen Personalmangel – es gibt eine Personalflucht“, war ihr Fazit. Ausgebrannt und unterbezahlt fühlt sich wohl die übergroße Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen, und das erklärt die hohe Streikbereitschaft. An der Berliner Charité stimmten 97,85 Prozent, bei Vivantes 98,45 Prozent und in den Vivantes-Tochterunternehmen 98,82 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten für den Arbeitskampf. Damit ist der Weg frei für den Erzwingungsstreik für gleiche Bezahlung und Entlastungstarifverträge.
Ein dreitägiger Warnstreik zwei Wochen zuvor hatte die Klinikleitungen nicht dazu bewogen, den Beschäftigten ein ernsthaftes Angebot zu machen. Auch bei den Tochterunternehmen fand in der vergangenen Woche eine Verhandlungsrunde ohne greifbare Ergebnisse statt. Es folgte ein erneuter Warnstreik am 3. September mit einer Demonstration zur Vivantes-Klinik Neukölln.
Nach der einstweiligen Verfügung gegen den Warnstreik bei Vivantes und ihrer Rücknahme durch das Arbeitsgericht warb die Vivantes-Geschäftsführung für Gespräche am Runden Tisch. Nicht nur in der Berliner Landes- und Kommunalpolitik sind Runde Tische ein probates Mittel, um gesellschaftliche Kämpfe ins Leere laufen zu lassen. ver.di hat klargemacht, dass nur ein angemessener Tarifvertrag eine Lösung ist. Einen Runden Tisch lehnt die Gewerkschaft ab.
Nach der Pressekonferenz begann die Berliner Krankenhausbewegung mit der Mobilisierung der Streikwilligen und ihrer Unterstützer. Wenn kein substanzielles Angebot für die Tarifverhandlungen folgt, beginnt der unbefristete Streik bei Vivantes und Charité am 9. September.
Die Klinikleitung von Vivantes antwortete nach der ver.di-Pressekonferenz mit einem runderneuerten Vorschlag. Arbeitsdirektorin Dorothea Schmidt ließ mitteilen, dass sie ein Modell entwickelt habe, um Belastungen zu vermeiden. Mit Hilfe von „drei Bausteinen“ könne dies gewährleistet werden: Die Leistung solle dem jeweils verfügbaren Personal angepasst und auf den Einsatz von Leasingkräften solle verzichtet werden. Und schließlich komme eine flexiblere Zeiteinteilung hinzu. Schmidt versprach zudem mehr Investitionen, mehr Digitalisierung und mehr Anleitung für die Auszubildenden.
Kurzum, es soll alles so bleiben, wie es ist. Natürlich ohne Regelungen zugunsten der Beschäftigten und ohne Rechtsansprüche. Für die in ver.di organisierten Kolleginnen und Kollegen ist das Ziel klar: ein Entlastungstarifvertrag. Und ein Tarifvertrag auf TVöD-Niveau für die Tochterunternehmen – mit klaren Regeln zu Mindestbesetzungen und Belastungsausgleich.
Die Charité-Leitung fährt im Windschatten von Vivantes und simuliert Verhandlungsbereitschaft. Aber auch hier gibt es wenig Bewegung. Für ver.di und die Berliner Krankenhausbewegung ist der Erzwingungsstreik keine Drohkulisse, sondern letztlich das einzige Mittel, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Die Berliner Politik hat außer leeren Worten aus den Senatsparteien nichts für die Krankenhausbeschäftigten geleistet. Dennoch zeigen die Bemühungen ihrer Spitzenpolitiker, Sympathien unter den Klinikbeschäftigten zu erlangen, dass der Druck aus den Betrieben und von der Straße wirkt.
Quelle: UZ – Unsere Zeit – Aus Wut wird Streik