100. Gründungsjubiläum der KP Chinas: Rede von Patrik Köbele
Vergangenen Samstag fand in Berlin die Festveranstaltung zum 100. Gründungsjubiläum der KP Chinas statt. Wir dokumentieren an dieser Stelle die Rede von Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP.
Die Chipkrise behindert die Automobilindustrie – der Chinese ist schuld. Die Gaspreise steigen und steigen, der Russe und der Chinese sind schuld. Und nun wird auch noch Aluminium knapp, weil der Chinese sein Magnesium nicht rausrückt. Das Handelsblatt von gestern:
„Einmal mehr rächt sich die Abhängigkeit von China.“ und weiter: „Aus dem Reich der Mitte stammen fast 90 % aller Magnesiumimporte nach Deutschland. Magnesium ist ein Kernbestandteil für die Aluminiumproduktion. (…) Um die selbst gesteckten CO2-Ziele nicht zu gefährden, hat die Zentralregierung mit der sogenannten ,Doppelkontrolle des Energieverbrauchs‘ zum Stromsparen aufgerufen. Die Folge: Die Magnesiumproduktion liegt brach.“
Also ehrlich, was erlaubt sich dieses China: Es steckt sich selbst CO2-Ziele, ohne die NATO, die USA und die Bundesregierung zu fragen. Dann will es diese Ziele auch noch einhalten und erlässt ein Gesetz. Dann greift es sogar in die Produktion ein, um diese Gesetz durchzusetzen – das geht doch nicht, das riecht doch nach DDR und gefährdet die Profite der deutschen Automobilindustrie. So nicht, liebe Volksrepublik, so nicht, liebe Kommunistische Partei, sagt das Handelsblatt und damit das deutsche Kapital – und die wissen bekanntlich Bescheid.
Liebe Genossin Yu, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, Freund und Feind arbeiten sich an der VR China und damit natürlich auch an der Kommunistischen Partei Chinas ab. Die herrschende Klasse Deutschlands ist in ihrem Verhältnis zur VR China in einem tiefen Widerspruch. Sie erkennt, weiß und benennt, dass die VR China ein „systemischer Gegner“ ist und sie ist andererseits für das Austragen der Konkurrenz mit den anderen imperialistischen Ländern auf die ökonomische Zusammenarbeit mit der VR China angewiesen. Das war die Grundlage, die das hervorbrachte, was viele bei Merkel als einen „pragmatischen Umgang“ bezeichneten.
Allerdings brach auch vor Monaten immer wieder die imperialistische Aggression durch. Denn, eins muss man doch mit aller Klarheit sagen, deutsche Kriegsschiffe haben im Südchinesischen Meer nichts, aber auch gar nichts zu suchen und deutsche Unterstützung für separatistische Bestrebungen, die mit den Fahnen des britischen und amerikanischen Imperialismus durch Hongkong wedeln, das geht gar nicht.
Wenn man zu den reichsten Ländern der Erde gehört und gleichzeitig in meiner Heimatstadt Essen ein Drittel aller Kinder, in den armen Nordstadtteilen die Hälfte aller Kinder arm sind, wenn in diesem reichen Land droht, dass Millionen im Winter vor der Frage stehen, ob sie essen oder heizen können, dann sollte man mit Menschenrechtsparolen gegenüber einem Land, das hunderte Millionen Menschen aus der absoluten Armut führte, mehr als zurückhaltend sein.
Ich sagen, dass mir die sich abzeichnende Ampelkoalition hier eher Furcht macht, dass die Waage zwischen Aggression und Pragmatismus doch noch mehr zur Aggression kippt. Dafür spricht leider auch das Papier, das als Ergebnis der Sondierungsverhandlungen veröffentlicht wurde. Dort taucht zwar die VR China nicht namentlich auf. Aber ein relativ unbekanntes Schlagwort, die „Allianz der Demokratien“, die es zu unterstützen gelte. Dahinter steckt ein Konzept des US-Präsidenten Joe Biden der von einer Koalition weit über die NATO hinaus träumt, deren einziger Inhalt die Einkreisung und Isolation der Russischen Föderation und der VR China ist. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: das ist gegen die Interessen der Menschen in Deutschland und Europa – wir brauchen Frieden mit Russland und China. Wir brauchen die Zusammenarbeit mit Russland und China für die Erhaltung des Friedens, für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im globalen Maßstab, für eine Perspektive der Menschheit jenseits von Armut und Unterentwicklung – das liegt im Interesse der übergroßen Mehrheit der Menschen.
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, aus heutiger Sicht die Frage zu beantworten, ob die KP Chinas eine historische und weltpolitische Bedeutung hat, ist einfach. Kaum jemand wird anzweifeln, dass sie im Weltmaßstab eine der oder gar die bedeutendste politische Partei ist, die heute existiert.
Denn keiner wird anzweifeln, dass sie die führende Kraft der Volksrepublik China ist, und kaum jemand wird anzweifeln, dass die VR China aus einem der ärmsten Länder der Welt zu dem Land mit der weltweit zweitgrößten Ökonomie geworden ist und dabei noch die absolute Armut in der eigenen Bevölkerung beseitigt hat.
Spürbar ist die weltpolitische Bedeutung auch daran, dass keiner, weder Freund noch Feind, in der Weltpolitik daran vorbei kommt sich an der VR China abzuarbeiten.
Die historische Dimension der Leistung der Kommunistischen Partei Chinas wird an einigen Zahlen deutlich. 1921, im Gründungsjahr der KP, wird die Bevölkerung Chinas auf 400 Millionen Menschen geschätzt, die KP hatte 57 Mitglieder, von denen 13 am Gründungsparteitag teilnehmen.
Und nur 28 Jahre später die Gründung der VR China- eine gigantische historische Leistung! Könnte man alles so einfach übertragen, könnte man sagen, meine Partei, die DKP, hat heute 3.000 Mitglieder – Klassengegner, zieh dich warm an.
1949, im Jahr der Gründung der Volksrepublik, lag die Bevölkerung bei 540 Millionen, heute leben in dort 1,4 Milliarden Menschen.
China war eines der ärmsten Länder der Welt, hat heute die absolute Armut besiegt und das zweitgrößte Bruttoinlandsprodukt der Welt – das macht die Entwicklungsleistung deutlich.
Betrachten wir aber noch einmal die Zeit der Gründung der Partei. Diese kleine Partei hatte sich der Herausforderung zu stellen, eine Strategie der Heranführung an die proletarische Revolution zu entwickeln. Es war eine neue Epoche, die Oktoberrevolution hatte vier Jahre zuvor gesiegt. Revolutionäre überall auf dem Erdball und auch in China waren euphorisiert. Zum ersten Mal wurde in einem Land nach einer siegreichen Revolution am Aufbau des Sozialismus gearbeitet. Und trotzdem, die strategische Herausforderung war riesig. Russland war das schwächste Glied in einem Krieg zwischen Imperialisten, China eine vom Imperialismus brutal unterdrückte, nicht endgültig herausgebildete Nation. Das Verhältnis Stadt und Land war völlig unterschiedlich, der Herausbildungsgrad des Proletariats ebenfalls. Bündnisfragen stellten sich anders, das Bündnis der Arbeiter mit den Bauern war für Russland entscheidend, in China nicht ausreichend. Die bürgerliche Revolution konnte in Russland zur proletarischen weitergeführt werden, die Phase der Doppelherrschaft war sehr kurz, in China ging es noch um die Frage der nationalen Befreiung. Natürlich gab es den proletarischen Internationalismus, die junge Sowjetunion und die 1919 gegründete Komintern eilten zu Hilfe und waren hin und her gerissen zwischen der Unterschiedlichkeit der Situation und der Euphorie, ein Modell der proletarischen Revolution übertragen zu können.
Kurz, die chinesische Partei und die kommunistische Weltbewegung mussten Aufgaben lösen, die unvorstellbar waren, und lösten sie mit dramatischen Rückschlägen und riesigen Opfern, Anstrengungen, Mut, Schweiß und Blut, wenn wir nur an den „Langen Marsch“ denken – welch ein grandioses strategisch-taktisches Manöver.
Die Invasion durch Japan, die Leistungen der Kommunistischen Partei im Widerstandskrieg, der Kampf gegen die Truppen Chian Kai-sheks, die komplizierten Aufgaben der Bündnispolitik im Kampf gegen die japanischen Besatzer. Eine Einheitsfront einzugehen mit der Guomindang, wohl wissend, dass diese das Blut von tausenden Kommunistinnen und Kommunisten an den Händen hatte und ahnend, dass diese sich wieder blutige Hände holen würde. Der Bürgerkrieg, verwoben mit dem 2. Weltkrieg und damit verwoben mit dem weltweiten Kampf der Kommunistinnen und Kommunisten zur Abwehr des faschistischen Überfalls auf den ersten Staat der Arbeiter und Bauern. Der große Sieg, die Befreiung vom Faschismus und der Sieg gegen Japan. Die Herausbildung der Volksdemokratien in Europa und dann, endlich, die Errichtung der Volksrepublik China. Von Anfang an wieder im Fadenkreuz des Imperialismus und mit einer abtrünnigen Provinz Taiwan. Der Imperialismus erkennt die Volksrepublik nicht an, er setzt auf Taiwan und hat ja auch noch die vom britischen Imperialismus besetzte Kolonie Hongkong in der Hand.
Die Gründung der VR China, zusammen mit der Herausbildung der Volksdemokratien in Europa, das war ein gigantischer Fortschritt des Sozialismus im Rahmen der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus im Weltmaßstab. Noch lange Jahre, insbesondere auch mit dem Sieg Vietnams zuerst über den französischen Imperialismus, dann über den amerikanischen Imperialismus, schien diese Entwicklung weiterzugehen. Allerdings hatte auch der Krieg in Korea gezeigt, dass der Imperialismus sich damit nicht einfach abfindet.
Gleichzeitig die Schwierigkeiten des sozialistischen Aufbaus in einem der ärmsten Länder der Erde mit einer solch großen Bevölkerung und einer solch großen geographischen Ausdehnung. Wie eine Ökonomie entwickeln, die allen Menschen ein Auskommen, auf Perspektive ein gutes Leben garantiert, Schwerindustrie gibt es kaum, landwirtschaftlich nutzbare Flächen zu wenig. Es muss experimentiert werden und Experimente misslingen, wie der „Große Sprung“. Ein misslungenes Experiment, dass hunderte Millionen Menschen betrifft, hat aber fatalere Folgen als ein Experiment im Chemiesaal einer Schule.
Das alles reißt die Problematik etwas an und hinzu kam dann eine Entwicklung, die aus heutiger Sicht durchaus als Katastrophe bezeichnet werden kann.
Die lange Spaltung der kommunistischen Weltbewegung zwischen einer „Moskauer“ und einer „Pekinger“ Linie. Ich werde mich dem etwas ausführlicher widmen, auch, weil ihr vermutlich alle wisst, dass ich und meine Partei aus der Tradition der „Moskauer Linie“ kommen.
Liest man heute die Dokumente, wie z. B. „Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung“, den die KP China 1963 an die KPdSU geschrieben hat, oder auch den Vorgängerbrief des ZK der KPdSU an die KP Chinas, dann könnte man schnell zu einer Beurteilung kommen, dass doch viele Themen hätten diskutiert werden können. Das wäre aber sicher zu einfach. Unterschiede zwischen kommunistischen Parteien finden ja nicht im luftleeren Raum statt, sondern immer in einer Welt, die geprägt ist vom Klassenkampf. Geheimdienste, Medien, Ideologieapparate suchen nach Unterschieden, um sie zu vertiefen und die Spaltung zwischen kommunistische Parteien zu tragen. Wahrscheinlich gilt da: Wenn Kommunistische Parteien unterschiedlicher Länder beginnen, sich offene Briefe zu schreiben, dann ist das Kind bereits im Brunnen.
Natürlich wissen wir heute, dass – vom Ende her betrachtet – in der KPdSU, in anderen kommunistischen Parteien Revisionismus vorhanden und wohl auch verbreitet war. Der kann auch nicht vom Himmel gefallen sein und der Streit, inwiefern auch der XX. Parteitag der KPdSU in dieser Entwicklung eine Wegmarke war, ist alles andere als abgeschlossen. Was wir aber auch gelernt haben ist, dass ein Schwarz-Weiß-Schema uns nicht hilft. So waren KPdSU und SED eben auch keine revisionistischen Parteien und die DDR, die Volksdemokratien und die Sowjetunion waren bis zur Konterrevolution 1989/90 sozialistische Länder. Ohne diese Erkenntnis lässt sich die Geschichte bis 1989/90 nicht erklären und vor allem, ohne diese Erkenntnis lassen sich keine richtigen Lehren aus der Niederlage ziehen. Genauso falsch wäre eine schwarz-weiße Herangehensweise an die Entwicklung, die die KP Chinas nach diesem Bruch bis in die 80er Jahre nahm.
Wir müssen diese Widersprüche studieren, nicht um Schuldfragen zu klären, sondern im Wissen, dass dieser immer tiefer werdende Bruch in der kommunistischen Weltbewegung eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreichen Konterrevolutionen in den europäischen Ländern des Sozialismus war.
Weil ich weiß, dass hier doch eine ganze Menge Freunde und Genossinnen und Genossen im Raum sind, die die Geschichte der DKP nicht kennen, möchte ich auch ein paar Ausführungen machen, wie sich dieser Konflikt auch in der BRD manifestierte. Dazu gehört für mich die Ausgangsfeststellung, dass es für deutsche Kommunistinnen und Kommunisten aus meiner Sicht keinen anderen Platz geben konnte als den an der Seite der Deutschen Demokratischen Republik. Ich denke, aus heutiger Sicht werden mir da auch diejenigen zustimmen, die damals in der anderen Traditionslinie standen und die Kommunistinnen und Kommunisten geblieben sind.
Damit war klar, wir standen auch an der Seite der Sowjetunion und wir standen damals in scharfem Widerspruch zur VR China und der KP Chinas. Und ich bin auch heute stolz, dass diese Identifikation mit der DDR und der Sowjetunion Teil der Identität der DKP war, ist und bleiben wird.
Hinsichtlich der Programmatik der DKP kann man, was den Umgang mit dieser Spaltung angeht, eine interessante Entwicklung sehen. Findet sich doch in den Thesen des Düsseldorfer Parteitags von 1971 noch eine Verurteilung der „nationalistischen und spalterischen Tätigkeit der Führer der KP Chinas“, allerdings auch schon verbunden mit der Überzeugung, „dass die Volksrepublik China auf den Weg des Bündnisses und der brüderlichen Zusammenarbeit mit den Ländern des Sozialismus, mit allen revolutionären und fortschrittlichen Kräften zurückfinden wird.“
Bereits 1978, im Programm der DKP, also nur sieben Jahre später, wird auf eine so harte Formulierung verzichtet. Zumindest im Programm, denn gleichzeitig war die Auseinandersetzungen an der Basis der Partei keineswegs undramatisch. Viele von euch werden sich daran erinnern, dass im Jahr 1979 chinesische Truppen in die Sozialistische Republik Vietnam einmarschierten, ein tragischer Fehler, der Imperialismus konnte sich die Hände reiben. Als junger Kommunist war ich dabei, als wir anlässlich dieses Einmarschs eine Veranstaltung zur Solidarität mit Vietnam machten. Wir bekamen Besuch von Mitgliedern des maoistischen KBW, es kam zu einer Prügelei – wir haben gewonnen, das war auch gut so. Der Chef dieser Organisation landete später im im Planungsstab des Auswärtigen Amts unter Bundesaußenminister Joschka Fischer sowie dessen Nachfolger Frank-Walter Steinmeier. Er befürwortete den Krieg gegen den Irak, gegen Jugoslawien und gegen Afghanistan.
Die Spaltung der kommunistischen Bewegung hat in beiden Linien auch die Entwicklung falscher theoretischer Überlegungen zugelassen. Ich bin mir sicher, dass sie in der sowjetischen Linie Voluntarismus befördert hat. Lange sprachen die Genossinnen und Genossen der KPdSU davon, dass sich die Sowjetunion bereits in der Phase des Aufbaus des Kommunismus befände. All das beförderte die These vom unwiderruflichen Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse. So notwendig in der Agitation vorwärtstreibende Losungen sein können, so gefährlich war diese Feststellung der Unwiderruflichkeit, musste sie doch zu Illusionen über die Schwäche des Klassengegners und über die Unmöglichkeit der Konterrevolution führen. Dass sie ausgesprochen wurden, hatte meines Erachtens auch etwas mit der Wettbewerbssituation zu tun, in der man sich mit der VR China und der KP Chinas befand.
Auch in der chinesischen Linie führte die Spaltung zu einer schlimmen, falschen ideologischen Feststellung, der sogenannten „Drei-Welten-Theorie“. Sie verwischte die Unterschiede zwischen Imperialismus und Sozialismus und sie verwischte die Erkenntnis, dass der Imperialismus bei aller inneren Konkurrenz doch durch ein Ziel geeint ist: den systemischen Feind Sozialismus, egal in welchem Stadium der Entwicklung er sich befindet, zu beseitigen. Aus heutiger Sicht rechtfertigte oder förderte diese Theorie viele dramatische außenpolitische Entscheidungen, die dann im Verhältnis zu Befreiungsbewegungen oft dazu führten, dass gewisse Kräfte unterstützt wurden, Hauptsache sie richteten sich gegen die Sowjetunion oder deren Freunde.
Zu den Folgen der verhängnisvollen Spaltung gehört ein drittes Moment. Auch in der ideologischen Debatte igelten sich die beiden Lager ein. Wir lasen nicht in den Werken von Mao Tse-tung, wir lasen Drittquellen, die geschrieben waren, um deutlich zu machen, warum die Ideen von Mao Tse-tung falsch sind. Wir kämpften darum, unsere Mitglieder und Sympathisanten gegen die Propaganda der Maoisten zu immunisieren, wie diese darum kämpften, ihre Mitglieder und Sympathisanten gegen unsere Propaganda, also die der „Revisionisten“, wie sie uns nannten, zu immunisieren.
Dadurch wurden Teile der Theorie- und der Praxisentwicklung auf den Index gesetzt – sicherlich auch manches tatsächlich zu kritisierende. Nur auf den Index setzen ist eben keine kritische Verarbeitung, da wäre tatsächlich eine Herangehensweise, wie sie Mao, aufbauend auf Lenin, in seiner Schrift „Über den Widerspruch“ entwickelt, sinnvoller gewesen.
Allerdings war auch das differenziert. Zwei Genossen, die für die ideologische Arbeit der DKP große Verantwortung trugen, die Genossen Willi Gerns und Robert Steigerwald, führten, auch öffentlich und in Streitgesprächen, die Auseinandersetzung mit maoistischen Kräften – dabei wurde von allen Seiten nicht mit Wattebäuschen geworfen – gleichzeitig standen sie aber auch dafür, dass die Parteiführung unter Genossen Herbert Mies niemals einen vollständigen Bruch mit der KP Chinas vollzogen hat. Ein anderer Genosse, der später zusammen mit Willi Gerns am heute gültigen Programm der DKP mitgeschrieben hat, Hans Heinz Holz, hatte schon sehr früh darauf orientiert, dass man mit einer materialistisch-dialektischen Herangehensweise an die Entwicklungen in der VR China und auch an den Konflikt herangehen müsse. Politisch brachte ihm das einen Rüffel ein, dass er sich auf die „Holzwege“ des Marxismus begeben habe.
Hans Heinz Holz hat uns neben vielen wichtigen Werken als eine Art politisches Abschlussdokument die „Aufhebung und Verwirklichung der Philosophie“ hinterlassen. Im Band 2 „Die Klassiker der III. Internationale“. Er widmet sich dort Lenin, Gramsci, Stalin, Mao Zedong und Fidel Castro – wer zu diesen Genossen eine materialistische Herangehensweise sucht, dem sei dieses Buch empfohlen.
Ich möchte eine weitere Arbeit empfehlen. Die „Marxistischen Blätter“ haben ihrem Heft 4_2021 eine Broschüre mit einem Interview mit Professor Cheng Enfu, dem Präsidenten des Instituts für Marxismus bei der Chinese Academy of Social Science (CASS), unter dem Titel „500 Jahre Weltsozialismus aus chinesischer Sicht“ beigelegt. Diese Broschüre ist auch separat erschienen und sei wärmstens empfohlen.
Erinnern möchte ich daran, dass die SED, die wie die 1956 in der BRD verbotene KPD zur Traditionslinie meiner Partei gehört, sowohl unter Genossen Walter Ulbricht als auch unter Genossen Erich Honecker versucht hat, vermittelnd in dem Streit zwischen „Moskau“ und „Peking zu wirken – auch darauf, finde ich. Können wir deutschen Kommunistinnen und Kommunisten stolz sein.
Anerkennen müssen wir eine weitere große Leistung der KP Chinas. Auch Perioden der Rückschläge, tragische Fehler, parteiinterne Kämpfe ließen sie nie in eine Geschichtsvergessenheit kommen. So war der Umgang mit Mao Zedong, mit seinen Erfolgen und Fehlern immer differenziert. Eine Geschichtsvergessenheit, wie sie Gorbatschow mit seinem Antistalinismus verbreitet hatte, fand deshalb keinen Platz. Ich glaube, dass auch das eine wichtige Voraussetzung war, dass die KP Chinas schnell in der Lage war, aus den Konterrevolutionen in den sozialistischen Ländern Europas zu lernen und die Versuche zurückzuweisen, auch in China eine Farben-Konterrevolution zu entwickeln.
Eine Konsequenz, die wir aus diesen historischen Erfahrungen ziehen müssen, ist: Zum proletarischen Internationalismus gehört auch die Aufgabe, die Debatte zwischen den kommunistischen Parteien zu entwickeln, sie auf Augenhöhe miteinander zu führen. Das ist eine entscheidende Voraussetzung, um solch verhängnisvolle Prozesse in der Zukunft vermeiden zu können. Mein Eindruck ist, dass uns dies im Moment im Verhältnis zwischen meiner Partei und der KP Chinas gelingt – dafür bedanke ich mich sehr.
Die Konterrevolution in den europäischen sozialistischen Ländern hat das Kräfteverhältnis dramatisch zu Gunsten des Imperialismus verändert.
Trotzdem:
Die Hoffnungen des Imperialismus, seiner Ideologen und Propagandisten, dass auch die verbliebenen Bastionen des Sozialismus beseitigt werden können, haben sich zerschlagen.
Die Hoffnung auf ein Einfrieren der menschlichen Entwicklung im imperialistischen Stadium – sie nannten es „das Ende der Geschichte“ – hat sich zerschlagen, auch, wenn die Gefahr noch real ist, dass der Imperialismus Kriege, Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Verschärfung der Ausbeutung hervorruft, die die Menschheit in die Barbarei führen könnten.
Und das hat die Menschheit zu einem großen Teil der Kommunistischen Partei Chinas zu verdanken. Wer hätte das 1921 oder 1989 gedacht?
Aus meiner Sicht geht die Politik der KP Chinas dabei von folgenden Prämissen aus: Sozialismus und Kommunismus sind keine Gesellschaften der Armut. Ganz im Gegenteil wollen sie den gesamten Reichtum der menschlichen Entwicklung für alle Menschen erschließen, das erfordert die Entwicklung einer hohen Stufe der Produktivität bei Berücksichtigung des Verhältnisses von Mensch und Natur.
Der Kapitalismus ist in bestimmten Phasen in der Lage, die Entwicklung der Produktivkräfte zu fördern, allerdings verliert er zwingend seine vorwärtstreibenden Potentiale, je stärker er seine Dominanz festigt – in seinem imperialistischen Stadium nimmt seine Tendenz zur Destruktion zu.
Das ist nicht neu, das haben Marx, Engels und Lenin bereits sehr früh erkannt. Neu ist, dass die KP Chinas erfolgreich „den Tiger Kapitalismus reitet“, wissend, dass der Ritt auf dem Tiger immer Risiken enthält, und wissend, dass auch der zugelassene Kapitalismus aus sich selbst heraus Kapitalismus reproduziert.
Präsident Xi Jinping sprach vom „chinesischen Traum“ der beiden Jahrhundertziele: Das erste der beiden Jahrhundertziele wurde dieses Jahr erreicht: Einhundert Jahre nach der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas wurde in der VR China eine Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand vollendet, die absolute Armut besiegt – ein Traum, den die Menschheit träumt, seit sie bewusst träumen kann. Darin versteckt sich ein zweiter Traum der Menschheit, nämlich der, dass solche Ziele Staatsziele sind, nicht nur in Sonntagsreden, sondern real und realisiert, dank der Führung durch die Kommunistische Partei.
Ich wünsche der KP Chinas und der ganzen Menschheit, dass auch das zweite Jahrhundertziel, bis zum Jahr 2049 in der VR China ein modernes sozialistisches Land, das reich, stark, demokratisch, zivilisiert und harmonisch ist, zu verwirklichen, in Erfüllung geht. Ich möchte 87 Jahre alt werden.
Wir deutschen Kommunistinnen und Kommunisten wollen mit unseren bescheidenen Mitteln dabei helfen, indem wir uns der antichinesischen Hetze entgegenstellen.
Die Menschen in Deutschland in Europa, auf der ganzen Welt brauchen keinen neuen kalten Krieg, sie brauchen Frieden und Zusammenarbeit auf Augenhöhe, sie brauchen Projekte wie die Neue Seidenstraße.
Lang lebe die Freundschaft zwischen der Deutschen Kommunistischen Partei und der Kommunistischen Partei Chinas!
Lang lebe der proletarische Internationalismus!
Quelle: UZ – Unsere Zeit – 100. Gründungsjubiläum der KP Chinas