Friedensbewegung fordert: Auslandseinsätze beenden!
Parallel zum Abschlussappell der Bundeswehr zum 20-jährigen Afghanistan-Einsatz demonstrierten heute mehrere Friedensorganisationen vor dem Brandenburger Tor gegen Auslandseinsätze und für eine zivile Sicherheitspolitik. Der Afghanistan-Einsatz habe gezeigt, dass militärische Interventionen weder Stabilität, noch Frieden brächten. Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW verweist in diesem Zusammenhang auch auf die katastrophale gesundheitliche Lage im Land seit dem Abzug der NATO-Truppen. Eine Zeremonie der höchsten militärischen Ehrung sei angesichts dessen absolut unangemessen.
„Die Bundesregierung lenkt mit der Durchführung des Großen Zapfenstreichs von ihrer eigenen Verantwortung im Afghanistan-Desaster ab“, betont Dr. med. Angelika Claußen, Co-Vorsitzende der IPPNW. „Wie will sie den über 1000 traumatisierten Soldaten die Sinnhaftigkeit ihres Opfers erklären? Wie will sie dem afghanischen Volk erklären, dass die Gelder zur Finanzierung des afghanischen Gesundheitswesens auf Eis liegen und die Krankenhäuser geschlossen sind, weil das Personal nicht bezahlt werden kann? Es ist zynisch gegenüber den Opfern des Krieges und derjenigen, die jetzt unter Mangelernährung leiden, in dem zerstörten Land keine gesundheitliche Versorgung erhalten oder zu Geflüchteten geworden sind.“
Das „Stockholm International Peace Research Institute“ (SIPRI) unterstreicht, „dass Gewaltkonflikte durch militärische Interventionen häufig mehr Opfer fordern, länger dauern und schwieriger durch eine Verhandlungslösung beizulegen sind“. Schätzungen des „Costs of War“-Projekts an der Boston University gehen von mindestens 243.000 Todesopfern in Afghanistan und Pakistan aus – weit überwiegend unter der Zivilbevölkerung. Die Zahl der indirekten Opfer liegt nach ihrer Einschätzung um ein Vielfaches höher. Millionen von Menschen wurden zu Geflüchteten. 20 Jahre Einsatz haben weder zu mehr Diplomatie, noch zu friedlichen Konfliktlösungen beigetragen.
„Angesichts dieser Zahlen ist es beschämend, dass Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp Karrenbauer den Afghanistan-Einsatz als erfolgreich beschreibt“, ergänzt Dr. med. Angelika Claußen. „Die afghanische Zivilgesellschaft wurde zum Opfer falscher Entscheidungen und einer gescheiterten Politik – die Bilanzdebatte in der vergangenen Woche und der Abschlussappell heute sind traurige Beispiele für die Schönfärberei eines Bundeswehr-Einsatzes, der viele Milliarden Euro Steuergeld versenkt und eine humanitäre Katastrophe von gigantischem Ausmaß hinterlassen hat.“
Zusammen mit der Deutschen Friedensgesellschaft, dem Netzwerk Friedenskooperative und den Naturfreunden Berlin fordert die IPPNW ein umgehendes Ende aller Auslandseinsätze, um ein weiteres Desaster wie in Afghanistan zu verhindern. Stattdessen bedürfe es einen Paradigmenwechsel, weg von einer militärischen und hin zu einer zivilen Sicherheitspolitik, welcher den Aufbau kooperativer und problemlösungsorientierter Beziehungen umfasst. Auf Afghanistan bezogen muss die Bundesregierung in Partnerschaft mit UNHCR und weiteren Hilfsorganisationen ein Sofortprogramm für humanitäre Hilfe für die afghanische Bevölkerung anstoßen.
Zu diesem Thema veranstaltet die Friedensbewegung Ende Oktober die Konferenz „20 Jahre NATO-Krieg in Afghanistan – eine vorläufige Bilanz“ in Frankfurt a.M. Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.kultur-des-friedens.de/afghanistankonferenz.html
Weitere Informationen zu den Opferzahlen von „20 Jahren Krieg gegen den Terror“ finden Sie unter https://ippnw.de/commonFiles/pdfs/Forum/167/20_Jahre_Krieg_Afghanistan.pdf
Die IPPNW Body Count-Studie finden Sie hier