„Linke“ verrät Volksentscheid
Als Chuzpe wird scherzhaft definiert: Ein Elternmörder plädiert vor Gericht auf mildernde Umstände, weil er ja Vollwaise sei.
Die Führung der Berliner „Linken“ hat zwar niemanden umgebracht, über Chuzpe, also Anmaßung und Frechheit, verfügt sie allerdings in einem Maß, das über dem Durchschnitt für politische Machenschaften liegt. Ihre bisher bedeutendste Tat war die Teilnahme an der Verschleuderung von mehr als 100.000 städtischen Wohnungen Anfang der 2000er Jahre. Da saßen ihre Vertreter noch unter der Bezeichnung PDS in einem Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und machten die Hauptstadt zu einem Eldorado für Hedgefonds und EU-Wohlstandsbürger. Seit ungefähr zehn Jahren ist Berlin folgerichtig die deutsche Stadt, in der die Mieten am schnellsten gestiegen sind, in manchen Stadtteilen haben sie sich verdoppelt. Nirgendwo in der Bundesrepublik sind die Abstände zwischen Bestandsmieten und Neuvermietungen so groß wie in der Hauptstadt. Das meint der Soziologe Andrej Holm, der für kurze Zeit zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode von der Linken nominierter Staatssekretär im Senatsbauressort war, von der Partei aber fallengelassen wurde, als gegen ihn „Stasi“-Vorwürfe erhoben wurden: Er hatte im September 1989 als 18-Jähriger im MfS-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ seine Ausbildung als Offiziersschüler begonnen und war nach Auflösung des Ministeriums im Januar 1990 entlassen worden. Das reichte für wochenlanges Geheul in der Bürgerpresse, dem sich „Die Linke“ beugte.
Das streitet sie ebenso ab wie überhaupt jede Verantwortung für irgendetwas, was unter ihrer Mitwirkung am Senatstisch je entschieden wurde. Ihre Repräsentanten, deren Namen daher seit mehr als 20 Jahren gleich geblieben sind, sprechen manchmal von „Fehlern“. Die sollten in den vergangenen fünf Jahren zum Teil korrigiert werden. Aus dem angekündigten verstärkten Wohnungsbau wurde allerdings bei weitem nicht so viel wie angekündigt. Der Mietpreisdeckel, der im März 2021 vorm Bundesverfassungsgericht scheiterte, war nach dem Motto „Gut gemeint ist schlecht gemacht“ gestrickt worden. Ans Kriminelle grenzend verfuhren die Senatsparteien beim Teilrückkauf von Wohnungen im September. Für rund 14.750 Wohnungen bezahlt das Land Berlin 2,46 Milliarden Euro. Nach einigen Berechnungen wird das 24-Fache dessen bezahlt, was bei der Privatisierung eingenommen wurde.
Wer sich um hochgradig mafiös organisierte Bau- und Immobilienspekulanten derart verdient gemacht hat, muss im Senat bleiben. Prompt hat „Die Linke“ auf dieses Angebot reagiert und in den ersten Sondierungen auf ihr wichtigstes Wahlversprechen verzichtet: die zügige Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheides „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“. Er wird in eine „Expertenkommission“ verschoben, weil, so „Linke“-Spitzenkandidat Klaus Lederer, alles „juristisches Neuland“ sei. Der Volksentscheid habe kein Gesetz zum Inhalt. Genau das – nichts Verbindliches fordern – hatte die Berliner „Linke“ der Kampagne empfohlen. Die wohl zukünftige Regierende Bürgermeisterin, die in der DDR aufgewachsene Franziska Giffey, hatte bereits im Wahlkampf erklärt, dass sie den Volksentscheid mit Sozialismus und DDR, also Horror, verbindet. „Die Linke“ fiel bei den Stichworten so rasch um wie beim „Stasi“-Gebrüll. Sie ist in einem Maß erpressbar, wie es bei der harmlosen hauptstädtischen FDP unvorstellbar ist. Mit Peter Hacks: „Jeden Wink des Kapitals/erledigen sie mit links.“ Der Rest ist Chuzpe.
Quelle: UZ – Unsere Zeit – „Linke“ verrät Volksentscheid