6. November 2024

Geflüchtete in Griechenland: „Die Kinder weinen nachts vor Hunger“

Eine Hungersnot in einem EU-Land? Was unvorstellbar klingt, ist in Griechenland für Menschen auf der Flucht bittere Realität. Seit drei Monaten erhalten Schutzsuchende nicht genügend zu essen, die humanitäre Situation in dem Land ist dramatisch.

In Griechenland hungern tausende Geflüchtete, weil die griechische Regierung die Bargeldauszahlungen gestoppt hat. PRO ASYL liegt über die griechische Partner-Organisation Refugee Support Aegean (RSA) ein Bericht vor, in dem Geflüchtete zitiert werden mit den Worten: „Jetzt gibt es Nächte, in denen unsere Kinder mit leerem Magen und Tränen in den Augen schlafen gehen. Alles, was wir tun können, ist ihnen zu sagen: Es geht vorbei.“ RSA berichtet von einer Mutter im Rollstuhl, die von Kirche zu Kirche fährt und dort verzweifelt nach etwas Nahrung und Babywindeln fragen. Und von einem Familienvater, der mit seinem vierjährigen Sohn im Flüchtlingslager Eleonas in Athen festsitzt. Seine Frau sei in Deutschland, aber er könne den Visumsantrag für die Familienzusammenführung nicht abschließen, da ihm das Geld fehle, das die Botschaft für die Gebühren verlangt. „Ich leihe mir Geld, um meinen Jungen zu ernähren. Und jetzt kann ich nicht einmal den Visumsantrag ausfüllen, um mit der Mutter meines Kindes zusammenzukommen“, berichtet er.

„Diese Zustände sind erschreckend und dürfen von der EU nicht einfach so hingenommen werden“, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. „Griechenland betreibt eine knallharte, menschenunwürdige Politik der Verelendung.“ Es handelt sich um EU-Hilfsgelder, deren Auszahlung nun seit Wochen stockt. PRO ASYL und RSA erwarten deshalb von der EU-Kommission, dass sie unverzüglich die Geltung von EU-Recht in Griechenland durchsetzt und fordern von der griechischen Regierung die Fortsetzung der Bargeldzahlung.

Ein von der EU finanziertes Hilfsprogramm soll sicherstellen, dass Asylbewerber*innen ein wenig Bargeld erhalten. Zuständig für die Verteilung der Gelder war das UN-Flüchtlingshilfswerk, doch zum 1. Oktober wurde das Verfahren an die griechische Regierung übergeben. Seitdem spitzt sich die Lage für Geflüchtete zu, wie gestern auch Tagesschau.de berichtete.

Anerkannte Flüchtlinge werden in die Obdachlosigkeit getrieben

Problematisch ist die Lage selbst für anerkannte Flüchtlinge. Für sie es in Griechenland fast unmöglich, eine Arbeit zu finden und eine Wohnung zu mieten, staatliche Unterstützung erhalten sie nicht. Mangels Alternativen leben sie weiterhin in den Flüchtlingsunterkünften. Doch jetzt müssen sie diese offiziell verlassen und erhalten seit dem 1. Oktober 2021 auch keine Verpflegung mehr. „Immer mehr Menschen werden so in die Obdachlosigkeit und pure Existenznot gedrängt“, sagt Burkhardt. Insgesamt verschlechtert sich die Lage für Geflüchtete in Griechenland zusehends.

Wer darüber berichtet oder versucht zu helfen, wird immer öfter kriminalisiert. Zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Journalist*innen, die über Migration berichten, werden in Griechenland vermehrt an ihrer Arbeit gehindert oder eingeschüchtert. Davon betroffen ist auch der PRO ASYL-Partner Refugee Support Aegean. „Die Kriminalisierung von Geflüchteten, Journalist*innen und Helfer*innen, die wir in diesen Tagen europaweit beobachten, ist erschreckend“, sagt Burkhardt. „Ob in Polen, Ungarn, Kroatien oder Griechenland: Die Rechtsstaatlichkeit erodiert.“

Flucht von Griechenland nach Deutschland

Ziehen Menschen, die in Griechenland als Flüchtlinge anerkannt wurden oder subsidiären Schutz erhalten haben, aufgrund der elenden Zustände nach Deutschland weiter, landen sie hier in der Perspektivlosigkeit. Deutsche Gerichte haben es untersagt, sie nach Griechenland zurückzuschicken. 34.000 Personen mit Schutzstatus in Griechenland befinden sich laut Bundesinnenministerium (Angaben von Oktober 2021) aktuell im bundesdeutschen Asylverfahren. Doch es gibt seit nunmehr zwei Jahren einen internen Entscheidungsstopp des BAMF. Das bedeutet: Die Verfahren von Asylsuchenden mit Anerkennung in Griechenland liegen seitdem faktisch auf Eis, Entscheidungen werden nicht getroffen. In der Folge geht es für die Betroffenen weder vor noch zurück, sie hängen in den Aufnahmeeinrichtungen in der Luft. „Diese Menschen brauchen endlich eine Perspektive“, fordert Günter Burkhardt.

Hintergrund:

PRO ASYL macht seit Monaten auf die katastrophalen Zustände für Geflüchtete in Griechenland aufmerksam. Die Stellungnahmen von PRO ASYL und Refugee Support Aegean, die auch zu konkreten Gerichtsentscheidungen geführt haben, sind unverändert aktuell.

Dass Griechenland die Türkei in einer umstrittenen Ministerialentscheidung als „sicher“ erklärt hat, führt dazu, dass seit einigen Monaten vermehrt auch Geflüchtete aus Afghanistan oder Syrien abgelehnt werden. Was das bedeutet, erklärt die griechische Rechtsanwältin Yiota Massouridou hier.

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Quelle: Pro Asyl – Geflüchtete in Griechenland: „Die Kinder weinen nachts vor Hunger“

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