Solidarität jetzt – Internationale Studierende aus der Ukraine brauchen Perspektive
Bundes- und landesweite Studierenden- und Menschenrechtsorganisationen setzen sich dafür ein, dass alle aus der Ukraine geflohenen internationalen Studierenden ihr dort begonnenes Studium in Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union fortsetzen und beenden können. Bei Bund und Ländern mahnen sie die Herstellung von Aufenthaltssicherheit, die Schaffung von Zugangsmöglichkeiten zu den Hochschulen und weitere unterstützende Maßnahmen für internationale Studierende aus der Ukraine an.
Etwa 60.000 internationale Studierende waren nach UNESCO-Angaben unmittelbar vor Beginn des Krieges an ukrainischen Hochschulen eingeschrieben. Hauptherkunftsländer waren Indien, Marokko, Aserbaidschan, Turkmenistan, Ägypten und Nigeria. Sie haben in der Ukraine studiert, weil ihnen das in ihrem Herkunftsland aufgrund der politischen Situation unmöglich war oder weil die Studiengebühren für sie unbezahlbar waren. Der Krieg Putins gegen die Ukraine hat auch sie erschüttert und ihre Lebensplanung zerstört, schreiben die Organisationen: Amnesty International Deutschland, Brot für die Welt – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) e.V., Bundesverband ausländischer Studierender (BAS), Bundesweite Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL, Evangelische Studierendengemeinden der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz, Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, Verband der Evangelischen Studierendengemeinden in Deutschland und World University Service (WUS) – Deutsches Komitee e.V..
An die internationalen Studierenden wurde nicht gedacht
Ein Teil dieser internationalen Studierenden wurde zeitnah von den Herkunftsländern aus dem Kriegsgebiet evakuiert, ein Teil muss dort wegen fehlender sicherer Fluchtkorridore weiter ausharren. Andere konnten sich – obwohl vielen die Einreise massiv erschwert wurde – in die Europäische Union retten. Viele von ihnen sind schon oder werden in naher Zukunft aus dem Grenzgebiet in andere Mitgliedstaaten – auch nach Deutschland – weiterreisen, wo sie soziale Anknüpfungspunkte haben oder sich eine Perspektive zur Fortsetzung ihres Studiums erhoffen.
Wir beklagen, dass diese Personengruppe in dem EU-Ratsbeschluss zur vorübergehenden Schutzgewährung von aus der Ukraine vertriebenen Personen in der Europäischen Union nicht mitbedacht wurde. Demgegenüber begrüßen wir, dass der Aufenthalt internationaler Studierender aus der Ukraine – wie der aller aus der Ukraine geflüchteter Personen – aufgrund der Ukraine-Aufenthalts-Übergangs-Verordnung (UkraineAufenthÜV) von Bundesinnenministerin Faeser vom 7. März 2022 unabhängig von der möglichen Zuerkennung des vorübergehenden Schutzes zumindest bis zum 23. Mai 2022 erlaubt ist. Zudem begrüßen wir, dass laut Mitteilung des Bundesinnenministeriums vom 14. März 2022 diejenigen internationalen Studierenden aus der Ukraine vorübergehenden Schutz in Deutschland erhalten können, die „nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren“ können.
Aufenthalt bis zum 23. Mai ist zu kurz
Aus humanitären Gründen, aber auch mit Blick auf den bereits zunehmenden Mangel an Fachkräften und unter Berücksichtigung entwicklungspolitischer Erwägungen, muss aber allen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchteten internationalen Studierenden jetzt ausreichend Zeit zur Orientierung gegeben und die Gelegenheit eingeräumt werden, sich ohne Ausreisedruck um die Fortsetzung ihres Studiums an einer deutschen oder einer Hochschule in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu bemühen.
Ein – wie bisher vorgesehen – lediglich bis zum 23. Mai 2022 erlaubter Aufenthalt ist hierzu nicht ausreichend. Denn die aktuell aufwachsenden universitären Studienangebote und Programme zur Unterstützung von Flüchtlingen aus der Ukraine konzentrieren sich derzeit fast ausschließlich auf Studierende mit ukrainischer Staatsangehörigkeit. Hier besteht dringender Handlungs- und Korrekturbedarf.
Bund und Länder müssen handeln
Es fehlt derzeit zudem noch am Aus- und Aufbau sowie an der Finanzierung von Beratungs- und Unterstützungsstrukturen, an die Betroffene sich in der Phase der Neuorientierung wenden und die sie kompetent begleiten können.
Vor dem Hintergrund der schwierigen Situation, in der sich die internationalen Studierenden aus der Ukraine derzeit befinden, halten wir ein zeitnahes politisches Bekenntnis der Bundesregierung zur Möglichkeit der Fortsetzung ihres in der Ukraine begonnenen Studiums in Deutschland für ebenso dringend geboten wie die folgenden Maßnahmen von Bund und Ländern:
Aufenthaltsrechtlich:
• Herstellung von Aufenthaltssicherheit für alle internationalen Studierenden aus der Ukraine auch nach dem 23. Mai 2022 bis mindestens zum Beginn des Wintersemesters 2023/24. Dies könnte entweder durch
– die Gewährung vorübergehenden Schutzes für alle internationalen Studierenden aus der Ukraine oder
– eine entsprechende Verlängerung der UkraineAufenthÜV geschehen.
• Erteilung des § 16b Aufenthaltsgesetz für alle diejenigen, die bis zum Beginn des Wintersemesters 2023/24 ein Studienplatzangebot erhalten beziehungsweise studienvorbereitende Maßnahmen in Aussicht haben.
• Einleitung einer europäischen Initiative zur Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Fortführung eines von internationalen Studierenden vor der Vertreibung in der Ukraine begonnenen Studiums in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Universitär:
• Öffnung von Programmen der Hochschulen zur Förderung und Unterstützung von aus der Ukraine vertriebenen Studierenden für alle Betroffenen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit sowie Aufbau weiterer entsprechend übergreifender Förderungs- und Unterstützungsangebote.
• Bereitstellung von Stipendienangeboten der Stiftungen und Studienwerke sowie des DAAD für aus der Ukraine vertriebene internationale Studierende.
• Auf- und Ausbau von Kompetenzzentren zur Orientierung, Beratung und Begleitung von aus der Ukraine vertriebenen internationalen Studierenden an den Hochschulen und bei zivilgesellschaftlichen Bildungsorganisationen.
• Erleichtere Möglichkeiten der Studienaufnahme und unbürokratische Anerkennung fluchtbedingt lediglich unvollständiger Unterlagen und Nachweise.
• Den geflüchteten Studierenden sollte durch eine Öffnung des BAföG eine Studienfinanzierung ermöglicht werden.
Erforderlich ist zudem die auskömmliche Finanzierung dieser Maßnahmen durch die zuständigen Wissenschafts- und Integrationsministerien der Länder, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie das Auswärtige Amt (AA).
Unterstützt werden die Forderungen von: Amnesty International Deutschland, Brot für die Welt – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung (EWDE) e.V., Bundesverband ausländischer Studierender (BAS), Bundesweite Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL, Evangelische Studierendengemeinden der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz, Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, Verband der Evangelischen Studierendengemeinden in Deutschland und World University Service (WUS) – Deutsches Komitee e.V..
Quelle: Pro Asyl