Berliner Polizist wegen rassistisch motiviertem Angriff verurteilt
Anlässlich des heutigen Urteils des Amtsgerichts Tiergarten gegen den Polizisten Stefan K. und zwei Mitangeklagte wegen eines gewalttätigen Angriffs auf den Afghanen Jamil Amadi fordern verschiedene Organisationen die Rückholung und Entschädigung des Opfers aus Afghanistan, disziplinarrechtliche Konsequenzen für den Haupttäter Stefan K. sowie einen besseren Schutz für Opfer von Hasskriminalität.
Auf dem Heimweg von einem Fußballspiel von Union Berlin im April 2017 gingen drei Männer am Berliner S‑Bahnhof Karlshorst auf den Asylsuchenden Jamil Amadi* los und verletzten ihn schwer. Jamil Amadi ist seit dem Überfall traumatisiert.
Einer der Täter ist der Polizist Stefan K., der an diesem Abend nicht im Dienst, sondern privat unterwegs war. Stefan K. war bis 2016 bei der Berliner Polizei ausgerechnet in der Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus (EG Rex) eingesetzt. Diese Sondereinheit der Berliner Polizei war für die Ermittlung der bis heute nicht aufgeklärten rechtsterroristischen Anschlagserie in Neukölln zuständig.
Obwohl das Strafverfahren gegen die Täter noch nicht abgeschlossen war, ließ der damalige Innensenator Andreas Geisel den gesundheitlich stark angeschlagenen Jamil Amadi im März 2020 nach Afghanistan abschieben – zu einer Zeit, in der wegen der Corona-Pandemie der Flugverkehr stark eingeschränkt war und die Auswirkungen der Pandemie in dem Land noch nicht absehbar waren.
Fünf Jahre nach der Tat und coronabedingter Verhandlungspause wurde der Strafprozess gegen Stefan K. und seine Mittäter am Amtsgericht Tiergarten fortgesetzt und heute das Urteil bekannt gegeben.
Das Gericht bestätigte die rassistische Motivation des Übergriffs und verurteilte die Täter zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 80 Euro bzw. einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten auf 3 Jahre Bewährung für einen der Mittäter.
PRO ASYL, ReachOut, KOP und der Flüchtlingsrat Berlin zeigen sich tief enttäuscht über die Milde des Urteils.
„Es ist ein Skandal, dass Jamil Amadis Leben zerstört wurde und die Täter nicht angemessen zur Rechenschaft gezogen werden, obwohl das rassistische Tatmotiv gerichtlich anerkannt wurde“, sagt Samiullah Hadizada vom Flüchtlingsrat Berlin.
„Auch wenn die Täter nun bestraft werden, bringt es Jamil Amadi nicht zurück nach Berlin“, so Hadizada weiter und fordert sofortige Bemühungen, Amadi aus Afghanistan zurück nach Deutschland zu holen.
„Die Berliner Innensenatorin Iris Spranger muss jetzt den Fehler ihres Vorgängers korrigieren und durch eine Rückholung von Jamil Amadi ein klares Signal gegen Hasskriminalität und für den Opferschutz senden“, ergänzt Biplab Basu von der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP).
„Wer in Deutschland Opfer von Hasskriminalität wird, muss ein sofortiges Bleiberecht erhalten. Die Betroffenen im Laufe eines Gerichtsverfahrens gegen ihre Peiniger abzuschieben, schadet der Aufklärung des Vorfalls und lässt die seelischen und körperlichen Wunden außer Acht, die solche Gewalttaten bei den Menschen anrichten“, mahnt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.
Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), ReachOut, PRO ASYL und der Flüchtlingsrat Berlin stellen folgende Forderungen:
- Jamil Amadi muss umgehend aus Afghanistan nach Berlin geholt werden. Wir verurteilen die Entscheidung des Berliner Innensenators Geisel, der die Abschiebung von Jamil Amadi im März 2020 zu verantworten hat.
- Der Berliner Senat, der Amadi als Opfer rassistischer Hasskriminalität während einer globalen Pandemie nach Afghanistan abgeschoben hat, muss Verantwortung übernehmen und ihm ein Bleiberecht erteilen.
- Alle Opfer rassistischer Gewalt brauchen ein generelles Bleiberecht.
Stefan K. hat das durch die massiven Ermittlungsfehler bei der Aufklärung des Neukölln Komplexes ohnehin schwer erschütterte öffentliche Vertrauen in die Polizei zusätzlich beschädigt. Das milde Urteil trägt nicht dazu bei, dieses wiederherzustellen. Umso wichtiger ist es jetzt, dass die Polizeipräsidentin disziplinarrechtliche Konsequenzen gegen Stefan K. zieht.
Quelle: Pro Asyl