22. Dezember 2024

Die Streiks wirken

Es war mitten in der heißen Phase des Landtagswahlkampfs, als ver.di meldete, dass bei einer Urabstimmung 98,31 Prozent für den Erzwingungsstreik votiert hatten. Die, die darüber abstimmten, sind die ver.di-Mitglieder an den sechs Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen. Und „erzwingen“ wollen sie einen Tarifvertrag, der die Entlastung der Beschäftigten regelt. Diese war ihnen bisher vorenthalten worden – von der Landesregierung und den Klinikleitungen, die das an sie gestellte 100-Tage-Ultimatum bis zum Abschluss eines Tarifvertrages untätig verstreichen ließen.

Aber die Streiks wirken: Nachdem die Landesregierung einen Austritt der Unikliniken aus dem „Arbeitgeberverband des Landes NRW“ ermöglicht hatte, beginnen am 20. Mai die Verhandlungen. Das ist ein erster, wichtiger Erfolg. Das Mittel des Streiks wollen die Beschäftigen auch während der Verhandlungen nicht aus der Hand geben. Jonas Schwabedissen, Pflegekraft am Uniklinikum Essen, weist darauf hin, dass man die Auseinandersetzung noch nicht gewonnen habe: „Um unsere Forderungen durchsetzen zu können, müssen wir in den Bereichen jetzt erst recht noch stärker werden und mächtige Streiktage hinlegen.“ Es wird weiter mobilisiert – für die Streiks, aber auch für Demonstrationen wie die am Dienstag in Aachen (nach Redaktionsschluss).

Hier übt die Klinikleitung massiven Druck auf die Streikenden aus. Vorschläge für eine Notdienstvereinbarung wurden von ihr abgelehnt. Stattdessen drohte sie den Auszubildenden, dass Streiktage als Fehltage gezählt würden – damit wäre ihre Abschlussprüfung gefährdet. Ein Angriff auf das Streikrecht, gegen den die Beschäftigten demonstrieren. Sie erfahren derzeit große Solidarität aus den anderen fünf Universitätskliniken, aber auch aus der Bevölkerung.

Die Solidarität unter den Beschäftigten ist ein Zeichen der gewonnenen Stärke. Ein weiteres ist die Zahl der neuen Gewerkschaftsmitglieder. Bereits in der Tarifrunde des Öffentlichen Dienstes (Länder) im Herbst letzten Jahres hat ver.di 1.800 Mitglieder an den Unikliniken hinzugewinnen können. Jetzt sollen es noch einmal 2.000 sein, die sich in der Auseinandersetzung organisiert haben. Die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter haben die Zeit des 100-Tage-Ultimatums bis zum 1. Mai gut genutzt. In Teams haben sie auf ihren Stationen und in ihren Arbeitsbereichen mobilisiert und andere davon überzeugt, selbst aktiv zu werden.

Insgesamt fällt auf, dass die Beschäftigten selbst es sind, die den Arbeitskampf führen. Sie haben den Fahrplan zur Durchsetzung ihrer Forderungen festgelegt. Sie sind es, die in der Öffentlichkeitsarbeit präsent sind (siehe Seite 8). Auch die Bedingungen, unter denen sie verhandeln wollen, drücken dies aus. Anders als von den Klinikleitungen gewünscht, wird eine Tarifkommission von 60 Kolleginnen und Kollegen am Tisch sitzen und dies mit einem „Delegiertenrat der 200“ rückkoppeln. Denn nicht nur die sechs Unikliniken wollen vertreten werden. An jedem Klinikum gibt es Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Bereichen – von der Pflege bis zum Service –, die in Teams organisiert sind und jeweils als Expertinnen und Experten ihrer Berufsgruppe über ihren Bereich mitverhandeln. Die Klinikleitungen hätten sich lieber im kleinen Kreis getroffen, konnten dies aber bei den Vorgesprächen am vergangenen Freitag nicht durchsetzen.

Und noch ein Aspekt lässt hoffen, dass der Kampf um Entlastung erfolgreich sein kann: Die Kolleginnen und Kollegen wissen, dass sie, selbst wenn sie den Tarifvertrag erst einmal durchgesetzt haben, um die Umsetzung weiter kämpfen müssen. Das hat das Beispiel Charité gezeigt, aber auch die Erfahrungen in Essen und Düsseldorf, wo bereits Vereinbarungen über Personalbemessung getroffen wurden.

Es scheint auch keinerlei Illusionen darüber zu geben, dass die im Landtag vertretenen Parteien die Sache für sie regeln werden. Zwar hatten SPD und Grüne, letztlich auch die CDU, zugesichert, dass sie für einen Tarifvertrag Entlastung sind. Aber die Politik hat den Beschäftigten viel versprochen und ihren Teil dazu beigetragen, die Probleme im Gesundheitswesen zu verschärfen.

Wer in Nordrhein-Westfalen regieren wird, ist für die Kolleginnen und Kollegen nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass sie wissen: sie selbst waren und sind es, die Verbesserungen durchsetzen müssen – für sich, für die Patienten – und egal gegen wen.

Quelle: Unsere Zeit

NRW