Herr Zenz, die Uiguren und die antichinesische Propaganda
Kommentar von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)
In den westimperialistischen Medien wird die permanente Russland- und Russenhetze gegenwärtig durch eine orchestrierte antichinesische Kampagne unterbrochen. Es kursieren angebliche Fotos und geheime „Daten“ aus dem Autonomen Gebiet Xinjiang, die „geleakt“ wurden – das darf man nämlich, wenn man nicht Julian Assange heißt und US-amerikanische Verbrechen aufdeckt.
Die neuen Informationen sollen die Behauptung unterstützen, dass die chinesische Regierung gegenüber der Minderheit der Uiguren auf systematische Repressionen, Verfolgungen, Zwangsmaßnahmen, Masseninhaftierungen, Folter, Menschenrechtsverletzungen, ja sogar einen kulturellen Genozid setzt. All dies dient natürlich der Erzählung, dass es sich in Peking um ein „Unrechtsregime“ handelt, gegenüber dem man zu jeder Maßnahme nicht nur berechtigt, sondern letztendlich regelrecht verpflichtet sei – denn der „Westen“ in Europa und Nordamerika ist ja der Hort und Zwangsvollstrecker der „Demokratie“, der Menschenrechte, des Humanismus und natürlich der bürgerlich-kapitalistischen „Freiheiten“.
Man darf schon davon ausgehen, dass die gesamtstaatlichen und regionalen chinesischen Behörden in mancherlei Hinsicht nicht zimperlich sind: In Xinjiang, wo jeweils knapp über 40 Prozent der Bevölkerung Han-Chinesen und Uiguren – ein mehrheitlich muslimisches Turkvolk – sind, werden radikaler Islamismus, Separatismus und die Unterminierung der Staatsgewalt oder der öffentlichen Ordnung zweifellos streng geahndet. Wer das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche System der Volksrepublik China bekämpft und hierbei vielleicht mit ausländischen Organisationen zusammenarbeitet, kann nicht auf Milde und Samthandschuhe rechnen. Hierfür gibt es Gefängnisse, die gewiss keine Erholungsanstalten sind, in denen die Insassen zu Arbeiten herangezogen werden und im Sinne der Resozialisierung ideologisch umgepolt und teilweise deradikalisiert werden sollen. Das ist per se nicht ungewöhnlich, sondern die Aufgabe einer jeden Staatsmacht und ihres Justizvollzuges.
In der westimperialistischen Propaganda vermischt man den Strafvollzug gerne mit Ausbildungsstätten. Diese werden bei uns als „Umerziehungslager“ tituliert, in denen Gehirnwäsche oder Schlimmeres an der Tagesordnung seien. Es sei geradezu ungeheuerlich, heißt es, dass junge Uiguren in diesen Einrichtungen die chinesische Sprache lernen und eine berufliche Qualifikation erlangen müssten. Nun, derartiges bezeichnet man in Europa als gesetzliche Schul- und Ausbildungspflicht: Kenntnisse der Staatssprache, Staatsbürgerkunde, Ethik, eine wissenschaftliche Weltanschauung und nicht zuletzt die Vorbereitung auf das Arbeitsleben gelten auch hierzulande als unerlässlich. Vor allem im Südwesten von Xianjiang, dem Hauptsiedlungsgebiet der Uiguren, geht es um Entwicklungsfortschritte, denn es ist wirtschaftlich und gesellschaftlich rückständig. Die bäuerlichen und kleingewerblichen Strukturen bieten keine Zukunft, die chinesischen Maßnahmen zielen daher auf eine funktionierende Ökonomie und die Erhöhung des Lebensstandards für die Bevölkerung – ungeachtet von Ethnie oder Religion. Und diesbezüglich ist auch schon einiges gelungen.
Schlussendlich ist es ironischer Weise in Wirklichkeit auch genau das, was im Westen tatsächlich argwöhnisch betrachtet wird. Eigene Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen zählen nicht, auch bei verbündeten Despotien drückt man gerne alle Augen zu. Im chinesischen Fall ist es anders, aber trotzdem nur ein Vorwand: Der wirtschaftliche und technologische Aufstieg der VR China bedroht die Vorherrschaft der USA und der EU im imperialistischen System. Den westlichen Hegemonialmächten erwächst damit nicht nur ein ökonomischer, sondern auch ein (geo-)politischer und letztlich militärischer Konkurrent, den man niederhalten muss. Im Rahmen der Zuspitzung der zwischenimperialistischen Gegensätze, die momentan anhand des Ukrainekonflikts sichtbar wird, müssen Russland und China als bösartige Feinde inszeniert werden. Und ein Teil der antichinesischen Strategie besteht eben auch in der medialen und „wissenschaftlichen“ Propaganda.
Eine originelle Rolle spielt hierbei ein gewisser Adrian Zenz, seines Zeichens „Anthropologe“ aus Deutschland. Er hetzt schon länger mit Unterstützung westlicher Regierungen und Medien gegen China und darf Schauermärchen über Xinjiang verbreiten – nicht zufällig ist er nun auch Quelle der angeblichen „Leaks“. Man sollte allerdings wissen, was dieser Herr tatsächlich darstellt: Er ist hochrangiger „Forscher“ der „Victims of Communism Memorial Foundation“, eines US-amerikanischen Propagandainstituts, das sich eben v.a. dem Antikommunismus widmet. Nun ist es in der VR China real mit dem Kommunismus und Sozialismus gar nicht so weit her, aber das macht nichts, denn man schlägt eben zwei Fliegen mit einer Klappe: Der imperialistische Hauptkonkurrent wird bekämpft, gleichzeitig der Sozialismus diffamiert. Die Motivation von Herrn Zenz ist klar: Er ist ein rechtskonservativer, radikaler evangelikaler Christ, der mit dem Islamismus mehr Gemeinsamkeiten hat als mit einer aufgeklärten liberalen Gesellschaft. Seiner Meinung nach – und er wird direkt „von Gott geleitet“ – sollten Frauen nicht gleichberechtigt mit Männern sein, denn das verbietet die Bibel, die Prügelstrafe für Kinder ist Ausdruck einer „liebevollen Erziehung“ und Homosexualität ist sowieso ein Werk des Teufels. Seine Vorwürfe gegenüber China sind eine Sammlung von „Internetrecherchen“ und unbelegten Behauptungen von einzelnen Uiguren, die im Ausland leben. Es hat sich eingebürgert, solche selbsttätigen „Forscher“ wie Herrn Zenz als Schwurbler zu bezeichnen – und inhaltlich ist er einfach ein reaktionärer Spinner. Einem unhinterfragten Auftritt in der ZIB2 des ORF tut das freilich keinen Abbruch.
Unterm Strich: Man soll nicht glauben, dass in der VR China alles in bester Ordnung wäre – vor allem aus sozialistisch-kommunistischer Sicht sollte man nicht davon ausgehen, egal wie die Partei heißt, die in Peking an der Macht ist. Doch es ist offensichtlich, dass die antichinesische politisch-mediale Kampagne darauf abzielt, eine Stimmung zu generieren, die dem Westimperialismus die weitere Konfrontation ermöglicht. Nicht zufällig schießt sich US-Präsident Biden gleichzeitig auf eine militärische Auseinandersetzung um Taiwan ein, was eine Ergänzung zu inneren Destabilisierungsversuchen Chinas darstellt. Vielleicht muss man eines Tages nicht nur Taiwan, sondern auch die Uiguren „verteidigen“, um einen „Genozid“ zu verhindern – die US-Armeestützpunkte sind bereits in nächster Nähe eingerichtet, mit dem AUKUS-Abkommen steht ein antichinesisches Kriegsbündnis bereit, dem sich auch Japan und Südkorea anschließen könnten. Denn am Ende der Diffamierungen, Unterstellungen, Lügen, Delegitimierungen und Provokationen, der chinafeindlichen Außenpolitik, Wirtschaftspolitik und Diplomatie steht der direkte Konflikt, der schließlich militärische Formen annimmt. Beim Gegensatz der NATO zu Russland ist dies bereits gelungen, nun wird der noch größere, eventuell globale imperialistische Krieg vorbereitet.
Quelle: Zeitung der Arbeit