Migrantenschach: Weiß statt schwarz
London schafft Platz für ukrainische Immigranten: Was der Europäischen Union Libyen, ist Großbritannien Ruanda
Die britische Regierung schloss am 14. April mit Ruanda eine auf fünf Jahre limitierte Vereinbarung, die „UK-Rwanda Migrations-Partnerschaft“, um illegal eingereisten Asylbewerber nach Kigali zu verschicken, die dort in Internierungslagern die administrativen Prozeduren abzuwarten hätten. Auf der Suche nach einem afrikanischen Land hatte das Außenministerium des westafrikanischen Ghana im Januar den Briten einen Korb gegeben und Berichten in der britischen Presse kategorisch widersprochen, das Land sei Teil dieses Programms (The Africa Report).
Immerhin geht es um die von 8.404 im Jahre 2020 auf 28.526 im Jahr 2021angestiegene Zahl an Migranten, die in kleinen Booten den Kanal überquert hatten, so die in Accra sitzende Plattform „Business Ghana“. Und Premier Boris Johnson befürchtet, dass in den kommenden Wochen täglich bis zu tausend Flüchtlinge anlanden.
Über 150 ruandische NGOs, Gewerkschaften, Initiativen und Assoziationen, hatten umgehend ihren Protest mit einem „offenen Brief“ ins Netz gestellt. Und die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR prangerte den geplanten Bruch internationalen Rechts an. Flüchtlinge „sollten nicht wie Waren gehandelt und zur Verarbeitung ins Ausland gebracht werden“ wird Gillian Triggs in „Jurist-News“ zitiert, der UNHCR Assistant High Commissioner for Protection. In Großbritannien kritisierte der höchste Geistliche Englands, der Erzbischof von Canterbury das Vorhaben wie auch die ehemalige britischen Premierministerin Theresa May. Die parlamentarische Opposition verurteilte die „Operation Dead Meat“ wie sie in der Presse genannt wurde, und bemängelte fehlende Informationen über die Kosten.
Auch wenn das „Memorandum of Understanding“ samt Ausführungsbestimmungen noch nicht veröffentlicht ist, soviel ist durchgesickert: Nur alleinstehende männliche Migranten seien betroffen. Wie BBC berichtete, werde positiv Beschiedenen ein langfristiger Aufenthalt in Ruanda angeboten, Abgewiesene würden in ihre Herkunftsländer abgeschoben.
Den vor Hunger und Krieg fliehenden Migranten aus Ostafrika, Syrien und dem Jemen würden die Flüchtlingslager als große Hilfe verkauft – 6.500 km entfernt vom Ziel ihrer Hoffnungen, ein kaum zu überbietender Zynismus. Eritrea verurteilte diesen „beschämenden, unethischen Plan“ als „strategische Ent-Völkerungspolitik“, die offenbar afrikanische Länder durch finanzielle Anreize zur Komplizenschaft verleite, so im chinesischen TV-Sender CGTN am 19. April.
Dabei lehnt sich das Abkommen an Australiens „pazifische Lösung“ an, nach der von 2001 bis 2007 und seit 2012 Bootsflüchtlinge auf die Inseln Manus in Papua-Neuginea verbracht werden, wo sie keine Garantie für eine Ansiedlung in Australien haben würden,
Dänemark hat schon Interesse an dem Modell gezeigt. Und die Europäische Union? Die Begleitmusik zur Frontex-Abschottung, die Ursachen der Migration in den Ursprungsländern anzugehen, Projekte wie gegen die Folgen von Unterentwicklung und Klimawandel würden entbehrlich. Im 5,2 Mrd. Euro umfassenden EU-NothilfeTreuhandfonds für Afrika sind für Migrationsmanagement ohnehin nur 24 Prozent vorgesehen.
Die internationale Presse verurteilt „den „obszönen Outsourcing-Deal“ (Oriental Review) als „inhuman“ (Al Jazeera). Die britische Innenministerin Priti Patel verteidigte das Modell gegen den weltweiten „shitstorm“. Mit 120 Mio. Pfund – ein Betrag, der als völlig unzureichend kritisiert wurde – würde die Integration unterstützt werden, und ein Teil der ruandischen Flüchtlingen in Großbritannien würde legalisiert. Den kriminellen Schlepperbanden werde das lukrative Geschäftsmodell ausgetrocknet. Allerdings warnte die UNHCR davor, dass neue Flüchtlingskorridore organisiert würden. Ministerin Priti Patel pries Ruanda als einen Hafen des Friedens und Sicherheit an. Dabei wird Ruanda beschuldigt, in Grenzstreitigkeiten mit Uganda und der Demokratischen Republik Kongo bewaffnete Gruppen zu unterstützen. Als direkte Folge registrierte die UNHCR bereits über Hunderttausend Flüchtlinge in Lagern.
Der frühere ruandischen Luftfahrtminister Femi Fani-Kayode brachte es in der nigerianischen Zeitung „Daily Post“ am 19. April auf einen Nenner: „London pampert Ukrainer und deportiert afrikanische, arabische Asylsuchende“. Den ruandischen Politiker erbitterte die rassistische Doppelzüngigkeit, dass „der Westen die Notlage der Menschen in der Ukraine beweine, aber sich nichts um die barbarischen Ereignisse im Jemen, in Somalia, Nigeria zu scheren“.
Georges Hallermayer