„nd.Der Tag“ zum Machtkampf in Libyen
In Libyen wird wieder auf offener Straße geschossen. Solche Meldungen werden derzeit unter ferner liefen verbucht, alle Welt schaut in die Ukraine, wo sich zwei Staaten einen konventionellen Stellungskrieg liefern. In Libyen bekämpfen sich verfeindete Gruppen desselben Landes „nur“ untereinander. Und regelmäßig kommt das Gefühl auf, nicht recht zu verstehen, warum die Libyer*innen sich immer wieder in die Haare kriegen.
Ausgeblendet wird, dass externe Mächte dabei mitmischen, allen voran: die Türkei, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Russland; im Einsatz sind sowohl reguläre Soldaten als auch Söldnertruppen. Und Europa? Braucht Libyen als Lieferant von Öl und Gas, gerade zurzeit, aber nicht als Lieferant ausgemergelter afrikanischer Migrant*innen. Die sollen, bitteschön, gleich zu Hause bleiben oder in den mit EU-Geld etwas aufgehübschten libyschen Lagern verkümmern.
Sollte sich die politische Konfrontation und Gewalt in Libyen verstärken, werden noch mehr Menschen in Europa Schutz suchen. Das sollte allen klar sein. Vergessen wird gerne eine der Hauptursachen für die derzeitige instabile politische Lage: die Militärintervention von 2011. Damals konnte es vornehmlich den Regierungen in London und Paris nicht schnell genug gehen, Langzeitmachthaber Muammar Al-Gaddafi wegzubomben, um ein Europa-genehmes Regime zu installieren. Das ist, salopp gesagt, gründlich in die Hose gegangen – Tausende von Menschen mussten dafür im folgenden Bürgerkrieg ihr Leben lassen. „Die Intervention hat zu wirklich verheerenden Spaltungen unter den Libyern geführt und sie in Regimegegner und Regimetreue gespalten“, urteilte der libysche Politikprofessor Youssef Sawani. Damit ist (fast) alles gesagt.