Ukraine verbietet russische Musik
Das ukrainische Parlament hat wieder einmal ein bizarres, tendenziell rassistisches Gesetz beschlossen: Mit einer Zweidrittelmehrheit sprachen sich die Rada-Abgeordneten am vergangenen Sonntag dafür aus, Musik von Künstlerinnen und Künstlern mit russischer Staatsbürgerschaft zu verbieten. Damit erweist sich das Kiewer Regime neuerlich nicht gerade als EU-reif, denn Gesetze dieser Art widersprechen auf krasse Weise dem Unionsrecht – und dem gesunden Menschenverstand sowieso.
Man kann dem Gesetz, wenn man keine großen Ansprüche stellt, vielleicht zugutehalten, dass es nur um Musik „in der Öffentlichkeit“ geht. Das bedeutet, dass Rundfunk, Institutionen, Konzerte und Veranstaltungen betroffen sind, ein Herumschnüffeln in privaten Playlists oder Plattensammlungen der ukrainischen Bürger ist hingegen vorerst nicht geplant. Der staatliche Geheimdienst SBU ist in den Vollzug trotzdem involviert, denn er wird eine Liste der verbotenen und nichtverbotenen Musiker, Bands und Orchester führen – Ausnahmen könnte es eventuell für russische Kulturschaffende geben, die den Krieg explizit verurteilt haben.
Abgesehen von der offensichtlich kunstfeindlichen Haltung und der pauschal antirussischen Diskriminierung wird das Gesetz wohl auch ansonsten ein veritables Eigentor der Ukraine sein. Denn man verspricht sich von dem Verbot russischer Musik, dass durch dieses unter den ukrainischen Bürgern nun keine separatistischen Stimmungen mehr entstehen können und auch Bekenntnisse zu einer russischen Identität verhindert werden. Das ist freilich eine absurde Annahme in einem Land, in dem über 40 Prozent der Menschen russischsprachig sind und sich mehr als 20 Prozent als ethnische Russen betrachten. Gerade die Unterdrückung der russisch(sprachig)en Bevölkerung der Ukraine und die rücksichtslose Ukrainisierungspolitik waren ja mit ein Grund für die Lostrennung der mehrheitlich russischen Krim und des Donbass sowie für den Konflikt zwischen Moskau und Kiew. Insofern gießt das neue antirussische Gesetz abermals Öl ins Feuer und wird die Herzen des russischsprachigen Teils der ukrainischen Bevölkerung wohl nicht gerade für die Ukraine entflammen lassen.
Gleiches gilt für das ebenfalls beschlossene Verbot des Imports und der Verbreitung von Büchern und anderen Printprodukten aus Russland und Weißrussland, die schon seit 2016 unter Zensur standen, in der Ukraine. Wäre dem Kiewer Regime tatsächlich an „seiner“ russischen und russischsprachigen Bevölkerung gelegen, dann hätte es eben einer anderen Sprachenpolitik bedurft sowie einer Annahme, ja einer Förderung der Minderheitensprachen und ‑kulturen. Da man aber eben, insbesondere seit dem Maidan-Putsch von 2014, auf ukrainischen Nationalismus und Chauvinismus, auf antirussische Repression und auf Krieg gegen die Bevölkerung des Donbass setzt, braucht man sich über das Ergebnis nicht wundern.
Tatsache ist indessen: Solcherart Verbotsgesetze können nicht mit dem Krieg gerechtfertigt werden, sondern sind ein klarer diskriminierender Angriff auf die Identität eines relevanten Teils der Menschen auf ukrainischem Staatsgebiet. „Europäische Werte“ der Freiheit, Gleichheit und Demokratie werden damit sicher nicht verteidigt – und die gemeinsame europäische Kunst- und Kulturgeschichte schon gar nicht. Es wird vielleicht nicht mehr lange dauern, bis in Kiew und Lemberg öffentlich Bücher mit Puschkins Lyrik oder Aufnahmen von Tschaikowskis Kompositionen feierlich den Flammen übergeben werden.
Quelle: ORF
Quelle: Zeitung der Arbeit