Werteordnung wird abgeschoben
Von einer „Werteordnung“ ist dieser Tage häufiger die Rede: Der russische Präsident Wlamimir Putin habe die Werte des Westens angegriffen, die Nato als sogenanntes Wertebündnis müsse dagegen gestärkt werden. Nun ist es vollkommen richtig, diesen Kriegstreiber nicht einfach werkeln zu lassen. Doch ebenso ist der Westen in der Pflicht, unter Beweis zu stellen, dass es ihm wirklich um Werte und nicht (nur) um Macht und Einfluss geht – und zwar in allen Politikbereichen.
Zu den Werten, die es zu erkämpfen und zu bewahren gilt, gehören auch Recht und Gerechtigkeit im Sinne einer humanen Flüchtlingspolitik. Die Tatsache, dass Annalena Baerbock (Grüne) – anders als noch in der Opposition – als Außenministerin nun offenbar akzeptiert, dass die libysche Küstenwache bis dicht vor die Tore Europas vorrückt, um Flüchtende abzufangen, steht einer vermeintlichen Werteorientierung aber diametral entgegen. Solange Baerbock weiter zulässt, dass Menschen Folter und Rechtsbruch ausgesetzt sind, verkommt jede Moralpredigt zu einem bloßen Lippenbekenntnis. „Europa droht sich weiter von seinem Wertegefüge zu verabschieden, denn wer auf Rückweisung auf hoher See setzt, Menschen an die libysche Küstenwache überführt, der bricht mit dem Völkerrecht.“ Das sagte Baerbock selbst im Jahre 2018. Viel übrig geblieben scheint davon nicht – und das in Zeiten wie diesen, in denen das Völkerrecht ohnehin massiv beschädigt wird.
Und überhaupt: Was wurde nicht alles geschrieben über unsere Außenministerin? Sie stehe für einen neuen, erfrischenden Stil, lobten die Gazetten landauf, landab. In diesem Punkt aber führt sie den Stil der alten Bundesregierung nur fort. Erbärmlich!