9-Euro-Ticket so nicht weiterführen
Das 9-Euro-Ticket kann so nicht weitergeführt werden. Zu dieser Aussage kommen Eisenbahner wie der Vizevorsitzende der Gewerkschaft EVG, Martin Burkert. Am Donnerstag letzter Woche stellte er fest: „Die Belegschaft hat die Belastungsgrenze erreicht und teilweise überschritten.“ Angesichts dieser Überlastung könne das Ticket nicht verlängert werden. Ähnlich äußerte sich Marcel Labonte, Landesvorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft in Rheinland-Pfalz.
Burkert stellte fest, wenn das Angebot stimmt und der Preis passt, wird der Schienenverkehr von den Menschen angenommen. Die Zukunft sieht er mittelfristig in einem kostenlosen Nahverkehr. Erforderlich seien jedoch Investitionen in die Schiene, so dass mehr Personal und mehr Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Die Belastung für die Beschäftigten müsse gesenkt werden.
Die momentan verfügbare Situation bei der Bahn erlaubt nach Ansicht vieler Bahnbeschäftigter keine Verlängerung des 9-Euro-Tickets. Die Zugbegleiter bekommen den Frust vieler Kunden mit: Verspätungen oder Ausfälle, übervolle Züge oder defekte Aufzüge, um nur wenige zu nennen. Und der Ton wird offensichtlich rauer, Anmache gegen das Bahnpersonal oder gar Übergriffe gehören zum Alltag. Kolleginnen und Kollegen werden verantwortlich gemacht für eine Situation, die sie nicht zu verantworten haben. Wegen voller Züge können sie ohnehin nur weniger Beratung anbieten, das führt wiederum zu Frust bei den Beschäftigten, die zusätzliche Überbelastung auch zu Krankheiten. Martin Burkert sieht die Notwendigkeit, in naher Zukunft geeignete Konzepte für den ÖPNV zu entwickeln und vor allen Dingen in die Schiene zu investieren.
Derweil ist die Debatte über die Weiterführung oder eine Nachfolgelösung zum 9-Euro-Ticket in vollem Gange. In der Bevölkerung gibt es hohe Erwartungen und Zustimmung: Nach einer Umfrage des Instituts Kantar, das vom „Focus“ in Auftrag gegeben worden ist, sprechen sich 79 Prozent für ein ähnliches vom Staat unterstütztes Ticket aus, lediglich 16 Prozent sind dagegen. Bei den unter 30-Jährigen ist mit 90 Prozent die Zustimmung am größten.
Für eine Beibehaltung des 9-Euro-Tickets spricht sich die Initiative „9-Euro-Ticket weiterfahren“ aus: „Wir wollen das 9-Euro-Ticket behalten, für den öffentlichen Nahverkehr im ganzen Land. Wir wollen, dass die Regierung massiv investiert in Bus und Bahn und in mehr Personal zu guten Bedingungen. Wir wollen, dass die Haushaltsmittel umgeschichtet werden: Mobilität für alle finanzieren statt Autoverkehr fördern“, heißt es in einem Aufruf der Initiative, die unter anderem von Christoph Butterwegge, Carola Rackete, Carla Reemtsma, Konstantin Wecker und Attac Deutschland unterstützt wird und Unterschriftensammlungen angekündigt hat. Zu Recht verweist die Initiative darauf, dass das 9-Euro-Ticket im Jahr 12 Milliarden Euro kostet, die umweltschädlichen Zuschüsse und Steuersubventionen vom Bund summieren sich hingegen auf 65 Milliarden Euro jährlich. „Ein preisgünstiges Ticket wie auch der Ausbau von Bus und Bahn sind finanzierbar, wenn der politische Wille da ist.“
Für eine Verlängerung des Neun-Euro-Tickets um zwei weitere Monate plädiert Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV): „Das Ticket könnte im September und Oktober weiter gelten und so die Bürgerinnen und Bürger von den hohen Energiepreisen entlasten“, erklärte Wolff in der „Süddeutschen Zeitung“. Damit könnten sich die Politik und die Verkehrsbetriebe Zeit verschaffen, um ein dauerhaftes Angebot für ein bundesweites Nahverkehrsticket zu entwickeln. Der VDV hat ein bundesweit gültiges 69-Euro-Ticket als Dauerlösung in die Debatte gebracht, mit entsprechenden Subventionen aus Bundesmitteln könne der Preis für die Kunden um 20 oder 30 Euro gesenkt werden.
Eine Absage sowohl an das 9-Euro-Ticket als auch an ein Nachfolgeangebot erteilt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Er lehnt eine weitere Finanzierung strikt ab. „Das 9-Euro-Ticket ist eine befristete Maßnahme, genau wie der Tankrabatt“, zitiert das „ZDF“ den Bundesfinanzminister. Deshalb seien im Bundeshaushalt weder eine Fortsetzung des Tankrabatts noch Mittel für eine Anschlussregelung für das 9-Euro-Ticket vorgesehen. Nach Lindners Ansicht, so der „Tagesspiegel“, finanzieren die Steuerzahler mit dem verbilligten Nahverkehr ein nicht kostendeckendes Angebot. „Es zahlen damit auch diejenigen, die das Angebot selbst im ländlichen Raum gar nicht nutzen können.“ Und das für ihn wichtigste Argument ist offensichtlich: „Jedenfalls könnte der Bund es nicht bezahlen, da im Jahr 2023 die Schuldenbremse wieder eingehalten werden muss.“
Quelle: Unsere Zeit